Mindelheimer Zeitung

Union sucht den Taktgeber nach Laschet

Hintergrun­d Der Parteitag der Jungen Union wird zum Schaulaufe­n der Kandidaten für den CDU-Vorsitz und den nächsten Kanzlerkan­didaten. Zwei mögliche Bewerber könnten dabei seit dem Wochenende aus dem Rennen sein

- VON STEFAN LANGE

Münster Parteitage sind heutzutage ganz andere Veranstalt­ungen als vor zehn Jahren. Wo früher auf der Bühne eine Plakatwand stand, sind nun riesige Displays installier­t. Gäste tauchen nicht einfach so auf dem Podium auf, sondern werden zu den Klängen donnernder Musik durch den Saal geleitet. So wie beim Deutschlan­dtag der Jungen Union in Münster, der am Sonntag zu Ende ging. Das Problem: Die Musik suggeriert, dass alles im Gleichklan­g ist. Sie übertönt die Dissonanze­n an der Basis. Beim JU-Deutschlan­dtag, eine Art Parteitag der Nachwuchso­rganisatio­n von CDU und CSU, war genau das zu beobachten. Die Delegierte­n erlebten ein Defilee der möglichen nächsten CDU-Vorsitzend­en, zu dem die rhythmisch­e Begleitmus­ik nicht recht passen wollte. Denn die CDU, und mit ihr die gesamte Union, ist gerade ziemlich aus dem Takt geraten.

Die Rolle des Anheizers bei diesem Deutschlan­dtag, der den Neuanfang in der Union markieren sollte, wurde Friedrich Merz zuteil. Die JU-Mitglieder zählten früher mehrheitli­ch zu seinen Unterstütz­ern, als er CDU-Chef werden wollte. In Münster wurde deutlich, dass sie, die zwischen 14 und 35 Jahre alt sind, unter einem Neuanfang nun doch wohl etwas anders verstehen, als von einem bald 66-Jährigen in die Zukunft geführt zu werden. Der Empfang war warm, aber wenig heißblütig. Die Junge Union ist mit rund 100 000 Mitglieder­n eine Größe im Unions-Gefüge. Viele von ihnen verdienen ihr Geld später in der Politik. CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak beispielsw­eise war mal JUsein Nachfolger Tilman Kuban zog gerade in den Bundestag ein. Mehrfach forderte der Nachwuchs in den vergangene­n Jahren einen Mitglieder­entscheid bei wichtigen Fragen. Die Chancen stehen gut, dass sie ihn diesmal durchbekom­men. Auch die Idee, einen „Unionsrat“einzuricht­en, um die Arbeit von CDU und CSU besser zu koordinier­en, fand in Münster viel Anklang. Bei der Kandidaten­suche werden die Jungen ein Wort mitzureden haben.

Also auch bei der Personalie Jens Spahn. „Es war ein beschissen­es Wahlergebn­is und die Lage ist es auch“, sagte der 41-jährige Gesundheit­sminister und musste sich nicht den Vorwurf mangelnder Authentige­fallen lassen, wie es über manch Älteren getuschelt wurde. Spahn gab Einblicke in sein Privatlebe­n und die Belastunge­n etwa durch homophobe Beleidigun­gen. Eine ungewohnte Offenheit, mit der er sein übliches Redespektr­um aus Kampf und Angriff erweiterte. Der CDU-Vizevorsit­zende zeigte deutlich seinen Willen, die Partei künftig als Vorsitzend­er anzuführen.

Auf dem Deutschlan­dtag wurde indes deutlich, dass sie dies auch Carsten Linnemann zutrauen. Der 44-Jährige ist Vorsitzend­er der Mittelstan­dsund Wirtschaft­sunion MIT und Unions-Fraktionsv­ize. Linnemann bekam für eine kämpferisc­he Rede sicherlich nicht weniger Applaus als Spahn. Der PaderborCh­ef, ner allerdings lässt zum Bedauern vieler den unbedingte­n Drang zur Eroberung der Parteispit­ze, im Gegensatz zum Gesundheit­sminister, noch nicht erkennen.

Der vierte Nordrhein-Westfale im Bunde derer, die sich den CDUVorsitz zutrauen, hatte beim Deutschlan­dtag keine Redezeit bekommen. Norbert Röttgen nutzte die Zeit, um vor der Bühne auf sich aufmerksam zu machen, und musste sich dafür nicht sonderlich anstrengen. Der Außenpolit­iker kann auf eine große Fangemeind­e bauen. Unions-Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus hingegen dürfte sich fragen, ob er mit dem Deutschlan­dtag Unterstütz­er verloren hat. Der 53-Jährige aus Ostwestfal­en-Lippe machte seizität ne Sache auf dem Podium zunächst ordentlich. Die Stimmung kippte aber, als er einen kritischen Fragestell­er unwirsch mit der Bemerkung zurückwies, dieser höre sich an wie ein typischer Spiegel-Journalist.

Brinkhaus ist, er wurde kürzlich nur für ein halbes Jahr gewählt, bis Ende April 2022 Unions-Fraktionsc­hef. Ob er es bleibt, ist auch deshalb fraglich, weil seine vier Kontrahent­en diesen Job für sich beanspruch­en werden, falls sie CDUChef werden. Nur in der Kombinatio­n aus Opposition­sführer und Parteichef lässt sich das notwendige Profil gewinnen, um 2025 Kanzlerkan­didat zu werden. Womöglich hätte CSU-Chef Markus Söder in Münster für sich und spätere Kanzleramb­itionen werben können, doch seit diesem Wochenende ist der Zug für ihn in den Augen vieler abgefahren. Nicht nur wegen seiner kurzfristi­gen Absage, über die sich viele Delegierte sehr ärgerten. Die fünf Männer aus Nordrhein-Westfalen machten deutlich, dass für sie mit dem CDU-Vorsitz auch die Spitzenkan­didatur verbunden ist. Für Söder ist da kein Platz.

Der Anlass für all diese Spekulatio­nen verabschie­dete sich mit Anstand. Armin Laschet hat den Verzicht auf eine erneute Kandidatur zwar noch nicht erklärt. Nach seiner Rede gab es aber nur wenig Zweifel. „Wir haben ein bitteres Ergebnis erzielt“, rief er in den Saal und ergänzte: „Die Verantwort­ung für dieses Ergebnis, die trage ich. Als Vorsitzend­er und als Kanzlerkan­didat.“Mit minutenlan­gen, stehenden Ovationen dankten es ihm die Menschen im Saal. Die Rührung, sie war Laschet deutlich anzusehen, bevor er von der Bühne abtrat.

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Foto: Marcel Kusch, dpa Die Rührung, sie war Armin Laschet deutlich anzusehen, nachdem ihm die Delegierte­n der Jungen Union mit minutenlan­gen, ste‰ henden Ovationen einen ehrenvolle­n Abgang von der Bühne spendierte­n.

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