Lebkuchen auch im Sommer?
Die Supermärkte der Republik sind derzeit nichts für Menschen mit Platzangst, so vollgestellt wirken sie mit Burgen aus Lebkuchen, Spekulatius und Zimtsternen. Schon Ende August ging es, wenn auch etwas schüchterner, los. Noch scheinen die Lebkuchen-, Spekulatiusund Zimtstern-Lieferketten zu halten, was eine süße Nachricht in bitteren Zeiten chronischer Nachschubprobleme ist. Mancher fremdelt aber selbst im Oktober mit der weihnachtlichen NaschwerkÜberfülle. Einige schauen sich um, ehe sie das Gebäck in den Einkaufswagen bugsieren und unter einem Kopfsalat verstecken. Ein klarer Fall von Lebkuchen-Scham. Denn hie und da laufen Menschen stänkernd am Weihnachtsgebäck vorbei. Mancher beschwert sich laut über den „Weihnachtsfrevel“.
In einem der großen deutschen Gesellschaftskonflikte kann die Industrie einen Rest schlechten Gewissens nicht verbergen: Schließlich nennt sie die Produkte „Herbstgebäck“, ja verzichtet erst einmal auf allzu weihnachtliches Dekor. Auch wenn sich Wut-LebkuchenBürger wünschen mögen, das Backwerk würde viel später aufgefahren, verkennen sie letztlich, dass die Branche ein Drittel des Weihnachtsgebäckumsatzes allein im September einfährt. Schon im August werde in den Läden nachgefragt, wann es endlich Lebkuchen gebe. Hier manifestiert sich die schiere Nachfrage-Macht. Und so verspeisen die Menschen hierzulande zwischen Ende August und Ende November mehr Weihnachtsgebäck als in der Kern-Weihnachtszeit, wo sie selbst Plätzchen backen und sich bebacken lassen.
Wenn die deutsche Ampel-Fortschrittskoalition das Thema nicht reguliert und mit dem 1. November ein Lebkuchen-MindestschamDatum aufblinken lässt, läuft alles auf weihnachtliches Sommergebäck hinaus. Dann geht es mit dem Zimtstern und dem Spekulatius in den Biergarten. Ja, warum nicht Heiligabend eine zünftige Brotzeit mit Obazdem, Radi und Radieserl auftischen und sich eine Maß Bier schmecken lassen? Durch die Folgen des Klimawandels verschieben sich die Jahreszeiten ohnehin. Oder wie sagte ein Discounter-Sprecher zur Lebkuchen-Strategie: „Für uns kann es nicht früh genug losgehen.“Wenn es aber alles immer gibt, wird dann nicht alles fad?