Wann kommt der Totimpfstoff?
Pandemie Die bisher in der EU zugelassenen Präparate zum Schutz vor einer Corona-Infektion basieren auf Gentechnologie. Das ist nicht jedem geheuer. Welche Alternativen derzeit in Entwicklung sind
Augsburg In großem Umfang werden inzwischen in Deutschland (wie in der gesamten EU) vier von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA regulär zugelassene Impfstoffe gegen das Coronavirus eingesetzt. Alle vier basieren letztlich auf der Basis von Gentechnik – bestimmte Informationen werden also über künstliche Veränderungen von genetischen Codes in den Körper geschleust. Damit der dann Antikörper gegen das Virus herstellt. Während diese Vorstellung für das Gros der Bevölkerung offenbar kein Problem darstellt (die Mehrheit der Menschen in Deutschland hat sich ja damit bereits impfen lassen), sehen andere das kritisch. Sie wollen etwa nichts mit Gentechnik zu tun haben. Oder sind ohnehin prinzipiell gegen das Impfen. Immer wieder erreichen uns Fragen, warum man sich bei uns eigentlich nicht mit einem sogenannten Totimpfstoff impfen lassen kann. Statt mit einem Impfstoff auf der Basis von Gentechnik. Doch was hat es damit überhaupt auf sich?
Totimpfstoffe gibt es schon sehr lange. Schon die allerersten Impfungen gegen Pocken vor über 200 Jahren basierten auf diesem Prinzip. Nämlich dass Viren entweder abgetötet oder inaktiviert und dann geimpft werden – und der Körper
Eine breitere Wirkung, aber dafür schwächer
bildet daraufhin Antikörper. Wegen Zusatzstoffen – beispielsweise Aluminium – standen diese Impfstoffe aber gerade bei Impfkritikern oft heftig unter Beschuss. Sie befürchten, dass diese Zusatzstoffe Impfschäden auslösen – unter anderem Allergien, Autoimmunerkrankungen, Asthma, Autismus oder Diabetes. Von der Schulmedizin und der Pharmaindustrie wird das freilich anders gesehen. Wenn, dann seien auftretende Fälle sehr selten und angesichts der schieren Masse der problemlos Geimpften Einzelfälle, die gesondert vor dem individuellen gesundheitlichen Hintergrund des Impfgeschädigten zu bewerten seien.
„Der Totimpfstoff hat tatsächlich
einen Vorteil“, erläutert Ulrich Koczian, Sprecher der Augsburger Apotheker, gegenüber unserer Redaktion. Dadurch, dass man Viren als Ganzes in den Körper impfe, wenn auch in abgetöteter oder inaktiver Form, bilde der Körper ein sehr breit gefächertes Reservoir an Antikörpern. „Leider ist dafür die Immunantwort insgesamt eher schwach“, sagt Koczian. Heißt: Es gibt zwar viele verschiedene Antikörper – aber quantitativ eher wenige.
Zum Vergleich: Die aktuell zugelassenen Impfstoffe sorgen dafür, dass nur eine bestimmte Antikörperklasse gegen einen bestimmten Teil des Coronavirus (das sogenannte „Spike“, also die „Spitzen“auf seiner Oberfläche) gebildet wird – aber davon sehr viele. Um Totimpfstoffe dennoch wirksam zu machen, muss man ihnen Zusatzstoffe, sie heißen auch Adjuvanzien, beifügen. Etwa Aluminiumhydrochlorid. Das
aber wieder bei Impfkritikerinnen und -kritikern skeptisch gesehen wird. Das französische Unternehmen Valneva hat einen solchen Totimpfstoff entwickelt. Die EU hat sich mindestens 60 Millionen Dosen davon bereits gesichert. Der politische Wille, dieses Mittel in der EU verfügbar zu machen, besteht also. Eine Zulassung wird offenbar für das erste Halbjahr 2022 diskutiert. Ein genauer Zeitrahmen ist aber nicht bekannt.
Doch die Franzosen sind nicht die einzigen, die einen Totimpfstoff gegen Corona im Rennen haben. In China, wo Corona bekanntlich seinen Lauf nahm, wurden rasch Impfstoffe entwickelt. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die beiden Hersteller Sinovac und Sinopharm. Doch nur für das Präparat von Sinovac liegt derzeit bei der EMA ein konkreter Zulassungsantrag vor. Laut EU fehlen aber noch Daten für die Zulassung.
Schon lange im Gespräch ist auch der russische Impfstoff Sputnik V, der eines Tages in Illertissen hergestellt werden könnte. Bei ihm handelt es sich um einen sogenannten Vektorimpfstoff (so wie die bereits in der EU zugelassenen Vektorimpfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson). Dabei wird ein harmloses Virus gespritzt, das genetische Informationen über das Spikeprotein des Coronavirus besitzt. Der Antrag wurde am 4. März bei der EMA eingereicht, doch bislang wurde er wegen fehlender Daten nicht genehmigt.
Manche Hoffnungen werden auch in den Impfstoff des US-Unternehmens Novavax gesetzt. Statt abgetöteter Viren oder genetischer Informationen wird dabei ein ganz anderer Weg beschritten. Es wird ein Eiweißmolekül gespritzt, das die Bildung von Antikörpern gegen Coronaviren hervorruft. 200 Millionen Dosen will die EU angeblich davon kaufen. Doch das Zulassungsverfahren, das am 3. Februar eröffnet worden war, ist noch nicht abgeschlossen.
Der Vollständigkeit halber genannt sei an dieser Stelle noch ein Präparat der Firmen Sanofi/GlaxoSmithKline, das aber noch nicht einmal beantragt ist (eine Kombination aus den Wirkprinzipien mRNA und Protein) sowie Curevac aus Tübingen (Prinzip mRNA), die den Antrag für ihren mRNA-Impfstoff dieser Tage wegen unzureichender Wirksamkeit zurückgezogen haben. Allen Neuentwicklungen zum Trotze: „Die Platzhirsche hier bei uns sind die Präparate der Firmen Biontech/Pfizer und Moderna, die sich im Prinzip den deutschen Markt aufgeteilt haben“, erläutert Koczian. Beides sind Impfstoffe auf mRNA-Basis. Dabei wird ein genetischer Bauplan geimpft. Und der Körper bildet dann Antikörper gegen das Coronavirus.
Koczian hält dieses Prinzip für das beste. „Weil es mit den wenigsten Hilfsstoffen auskommt“, betont er. „Und er wird sich von der Herstellung her am einfachsten auf neue Varianten einstellen lassen.“
Alle Impfstoffe hätten letztlich die gleichen Nebenwirkungen – nämlich die grippeartigen Symptome, die durch die Ankurbelung des Immunsystems aufkommen. Zusammen mit vorübergehenden Schmerzen an der Einstichstelle. Dazu kommen aber noch andere Nebenwirkungen, die nichts mit der eigentlichen Immunreaktion zu tun haben: etwa Sinusvenenthrombosen vor allem bei jungen Frauen, die zeitgleich auch die Pille nehmen – und mit dem Präparat von AstraZeneca behandelt wurden. 19 tödliche Fälle werden in diesem Zusammenhang diskutiert – bei 78 Millionen Dosen des Präparates, die in der EU und in Großbritannien bislang verimpft wurden.
Auch 24 Fälle von Herzmuskelentzündungen vor allem bei jungen Männern wurden nach der Gabe des Präparates von Biontech laut Robert Koch-Institut (RKI) registriert – zumeist leichte Verläufe, gestorben ist laut RKI niemand bisher. Diese Fälle seien im Vergleich zu den Millionen bereits geimpften Dosen im Verhältnis sehr selten, so Koczian.