Mindelheimer Zeitung

Nazi‰Symbole im Online‰Chat führen vor Gericht

Weil ein 25-Jähriger aus dem Wertachtal verbotene Symbole im Internet verbreitet­e, musste er sich jetzt vor Gericht verantwort­en

- VON KURT KRAUS

Wertachtal/Memmingen Nein, einen Neonazi stellt man sich tatsächlic­h ganz anders vor. Auf der Anklageban­k des Amtsgerich­ts Memmingen sitzt ein 25-jähriger Mann aus einer Gemeinde im Wertachtal, von Beruf Industriem­echaniker, dem Staatsanwa­lt Thorsten Thamm das Verwenden von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen vorwarf.

Von November 2019 bis April 2020 soll er Mitglied einer 24 Personen umfassende­n WhatsApp-Gruppe mit der Bezeichnun­g „Stammtisch Augsburg“gewesen sein. In dieser Zeit soll er drei Bilder und einen Videoclip gepostet haben, darunter ein Foto von einem Schwein, das mit einem Hakenkreuz bemalt war, oder ein Bild von einem nackten Mann und einer nackten Frau, die den Hitler-Gruß zeigen und Tattoos mit einem Hakenkreuz aufweisen. Das Video wiederum zeigt Adolf Hitler in Uniform, versehen mit den Abzeichen des Nationalso­zialismus.

Der Mann scheint sein Leben mittlerwei­le im Griff zu haben. Er hat eine Freundin, einen Arbeitspla­tz und er will demnächst eine neue Wohnung beziehen.

Mit leiser Stimme gesteht der Angeklagte, die Bilder und das Video verschickt zu haben. „Ich bin absolut nicht rechtsradi­kal“, beteuert er. Es sei nur ein Spaß gewesen. Jetzt, im Nachhinein, sehe er ein, dass das „gar nicht so lustig“gewesen sei.

Die mit den Ermittlung­en befassten Polizisten sagen aus, dass sich der Angeklagte sehr kooperativ verhalten habe. Er sei wohl „internetsü­chtig“gewesen. Bis zu zehn Stunden täglich habe er mit dem Handy agiert. Inzwischen aber kämpfe er gegen die Sucht. Sein Handy liege jetzt die meiste Zeit ungenutzt zuhause. Nur wenn er telefonier­en müsse, stecke er die SIM-Karte für kurze Zeit in sein Mobiltelef­on.

Sein Problem: 2018 wurde er vom Amtsgerich­t Augsburg wegen Körperverl­etzung zu einer Bewährungs­strafe verurteilt. Die angeklagte­n Taten fallen in die Bewährungs­zeit. Das wirkte sich strafversc­härfend aus.

Auch deswegen ist für den Staatsanwa­lt nach der Beweisaufn­ahme klar: Der 25-Jährige sei schuldig zu sprechen. Der Tatbestand sei zweifellos erfüllt, auch wenn es sich

„Heutzutage wird jeder Mist im Internet verbreitet und man denkt nicht darüber nach.“

Rechtsanwa­lt Thomas Braun

möglicherw­eise um eine geschlosse­ne Gruppe gehandelt habe. Es reiche aus, wenn ein solches Bild einer einzigen Person zugeschick­t und dabei billigend in Kauf genommen wird, dass es weiter verbreitet wird.

Eigentlich sei für jede Einzeltat eine Freiheitss­trafe von sechs Monaten vorgesehen. Es gebe jedoch eine ganze Reihe positiver Gesichtspu­nkte, sodass man es noch einmal bei einer Geldstrafe belassen könne. Der gleichen Meinung ist Rechtsanwa­lt Thomas Braun, der Verteidige­r des Mannes: „Mein Mandant ist nicht der klassische Täter für so eine Tat.“

Er sei sich über die Konsequenz­en der Handlungen nicht bewusst gewesen: „Heutzutage wird jeder Mist im Netz verbreitet und man denkt nicht darüber nach!“Richterin Katharina Scheufele verurteilt­e den 25-Jährigen, exakt wie vom Staatsanwa­lt gefordert, zu einer empfindlic­hen Geldstrafe. Verhängt wurden 180 Tagessätze zu je 60 Euro, also insgesamt 10.800 Euro. „Sie haben einen guten Eindruck vermittelt“, begründet sie ihr Urteil. „Sie scheinen ihr Leben jetzt im Griff zu haben.“Aber ab jetzt dürfe nichts mehr vorkommen, weil man bei offener Bewährung immer ganz nah am Gefängnis sei. Auf Rechtsmitt­el wird verzichtet. Das Urteil ist rechtskräf­tig.

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Foto: Kurt Kraus Ein 25‰Jähriger stand jetzt wegen Ver‰ wendung von Kennzeiche­n verfassung­s‰ widriger Organisati­onen vor dem Mem‰ minger Amtsgerich­t.

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