Vor verschlossenen Grenzen
Spendenaktion Ana und Ida Lutzenberger aus Schwaighausen wollen mit dem Fahrrad für einen guten Zweck bis nach Peking radeln – und müssen dabei auch einen Umweg von 3500 Kilometern machen
Schwaighausen „Der Weg ist das Ziel“– so lautet das Motto der beiden ambitionierten Radlerinnen Ana und Ida Lutzenberger aus Schwaighausen. Die beiden sind seit Mai mit ihren Drahteseln unterwegs. Ihr Plan: Von Schwaighausen bis nach Peking zu radeln. Für jeden geradelten Kilometer wollen sie einen Spenden-Euro für die Organisation „Sea Watch“einsammeln (wir berichteten).
Nun aber stehen die beiden vor großen Problemen: geschlossene Grenzen. „Weder China noch Russland haben seit der Pandemie ihre Grenzen geöffnet“, sagt Ana. So werden die beiden Unterallgäuerinnen ihr ursprüngliches Ziel Peking vielleicht gar nicht erreichen. Was nun? Umkehren? Das ist für die Schwestern keine Option. „Wir werden erst einmal weiterradeln.“
Die Rad-Nomadinnen sind bereits weit gekommen: Über 6000 Kilometer haben sie mittlerweile bewältigt. Europa ist schon lange im Rückspiegel verschwunden. Gerade radeln sie in Kirgisistan – auch wenn das nicht der Plan war.
Denn ursprünglich wollten die beiden von Kasachstan nach Usbekistan. Aber diese Grenze konnten die Schwestern nicht ohne Weiteres überwinden. „Wir mussten einen Umweg von 3500 Kilometern machen“, erzählen sie. Dafür fuhren sie ein großes Stück mit Kasachstans Eisenbahn. Das waren aber nicht die ersten Schwierigkeiten an einer Grenze, die die beiden hatten.
In Rumänien schickte man sie einmal zu einem anderen Grenzübergang nach Bulgarien – 100 Kilometer weiter. Von Georgien war die Einreise nach Aserbaidschan nicht möglich. Und nach Kasachstan durften die beiden nur über die Luft einreisen. „Uns blieb nichts anderes übrig, als mit dem Flugzeug Aserbaidschan zu überfliegen, um dann in Kasachstan weiterzufahren“, erzählt Ana. Dabei hätten sie einen Flug vermeiden wollen.
„Das ist das Traurige an der Pandemie: Man kommt dann doch nicht überall hin“, sagt Ana. Trotz ihrer Schwierigkeiten freuen sie sich, dass sie so weit gekommen sind. Das liegt vor allem an den Erfahrungen und Begegnungen, die die beiden gemacht haben.
Da wäre zum Beispiel der zwölfjährige Dato aus Georgien, der die beiden vor einem Wolf in seiner Gegend gewarnt und sie sicherheitshalber bei sich aufgenommen hat. Offen und gastfreundlich zeigte er den Frauen sein Leben und das seiner Familie. „Er führte uns durchs Dorf, wir spielten mit ihm und den anderen Kindern Fußball und er hat uns sogar mit in seine Schule genommen.“
Auch hatten die zwei eine Zeit lang eine vierbeinige Begleitung. Einen anhänglichen Straßenhund, den die beiden Lada tauften. „Lada lebte wohl sein ganzes Leben schon in dem gleichen georgischen Bergdorf und war davon wohl gelangweilt.“So erklären sich die beiden reiselustigen Radlerinnen, dass er „beschloss, ein Reiserüde zu werden und einfach mitrannte“.
70 Kilometer folgte er den Fahrrädern. Leider konnte er nicht mit den Drahteseln mithalten, so schreiben es die Schwestern auf Instagram. Daher deckten sie ihn noch einmal mit Futter ein. „Wir gönnten ihm eine extra Tankladung mit Schmand, Keksen und Fisch und sind uns sicher, dass das erst der Anfang seines wilden, neuen Reiselebens war.“
Besonders überrascht hat die beiden Kasachstan. „Wir hatten von Kasachstan eigentlich kein konkretes Bild. Wir wussten, es ist ein sehr, sehr großes Land irgendwo in der Ferne“, sagt Ida. Aber die Menschen seien superfreundlich und Touristen seien wohl eher selten in der Gegend. „Deswegen freuen sie sich total, dass Touristen auf dem Fahrrad vorbeirollen: Wir mussten am Tag mindestens zehn Fotos machen“, erzählt Ana lachend. Beeindruckt habe sie die Steppenlandschaft: „Überall frei herumlaufende Kamele. Und die Friedhöfe, bei denen jedes Grab wie ein kleiner Palast aussieht.“
Auch die Fahrradreparaturen hatten sich über den langen Zeitraum in Grenzen gehalten. Vor Kurzem hätten sie in einem Fahrradladen halt gemacht und bei einem „Boxen-Stopp“alle reparaturbedürftigen Teile ausgetauscht und die Fahrräder individuell aufgepimpt. „Anas Ständer ist so oft gebrochen unter der Last der schweren Taschen, jetzt haben wir zwei hingemacht“, sagt Ida und lacht.
Auf ihrem Instagramkanal filmen sie jeden Grenzübertritt mit. „Kurz vor der Grenze: Grüne Bäume“steht als Unterschrift unter dem Video. „Kurz nach der Grenze: Grüne Bäume“, betiteln sie beispielsweise ihre Landeswechsel. Damit wollen sie einen Denkanstoß vermitteln: „Was bewirken Grenzen?“