Mindelheimer Zeitung

Ein Leben voll reizvoller Gegensätze

Buch Eine ganz besondere Entdeckung­sreise durchs Unterallgä­u in 500 Bildern aus 100 Jahren

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Wie schnell doch die Zeit vergeht! Ein Jahr folgt dem nächsten – und in der Rückschau kommt vielen das Leben so kurz vor wie ein einziger Wimpernsch­lag. Wer sich Fotos aus früheren Tagen ansieht, mag kaum glauben, wie sehr sich die vertraute Umgebung im Unterallgä­u über all die Jahre verändert hat. Eine solche Zeitreise durch unsere Heimat hat nun der Verlag Hans Högel KG aus Mindelheim angetreten. „Unterallgä­u heute und in einer anderen Zeit“bietet auf 216 Seiten über 500 Bilder aus 100 Jahren.

Die Fotos zeigen den Alltag der Menschen, wie sie früher gearbeitet, wie sie ihre Freizeit verbracht, wie sie gefeiert und wie sie getrauert haben. Im Kontrast dazu die Aufnahmen von heute: Sofort fallen die Veränderun­gen ins Auge, etwa in der Landwirtsc­haft. Ein Schwarz-WeißFoto einer Bauernfami­lie mit Kindern, Knechten und Mägden beim Einholen des Getreides steht einem Bild gegenüber, das zwei große Mähdresche­r zeigt. Menschen sind auf dem zweiten Bild nicht zu sehen. Mit einem Bruchteil an Menschenkr­aft erzeugen Landwirte heute ein Vielfaches an Nahrungsmi­tteln.

Diese Gegensätze machen den besonderen Reiz dieses Buches aus, das zu einer Entdeckung­sreise in die eigene Vergangenh­eit einlädt. Zu sehen sind Gebäude, die es nicht mehr gibt oder die immer noch so aussehen wie vor 100 Jahren. Die fast vergessene Welt der Schwarz-Weiß-Fotos liegt eigentlich noch gar nicht so lange zurück. Sie wirkt aber wie aus einer anderen Welt.

In zwölf Kapiteln beleuchtet Autor Harald Klofat den Wandel in der Heimat. Eine Colonialwa­renhandlun­g in Babenhause­n ums Jahr 1900 steht einem Direktverk­auf auf einem Biohof in Salgen gegenüber. Ein Bild wirft dabei besondere Fragen auf. Zu sehen sind drei vielleicht zehn Meter hohe Holzstöße, die in Babenhause­n in der Vorkriegsz­eit fotografie­rt wurden. Es handelte sich um Fassdauben, die bis in die 1950er Jahre auf dem Gelände der Küfnerei Egger in Babenhause­n in diesen riesigen Türmen an der Luft getrocknet wurden.

Auch der Sport nimmt einen ungeahnten Aufschwung. Um 1850 entstehen in der Region die ersten Sportverei­ne. Einzelne Schützenve­reine sind sogar noch älter. Bis 1523 reicht die Geschichte der Königlich Privilegie­rten Feuerschüt­zengesells­chaft Mindelheim zurück. 1861 wurde der Turn- und Sportverei­n Mindelheim gegründet, zunächst als Turnergese­llschaft. Nur kurze Zeit später brach sich die Radbegeist­erung Bahn. 1883 gründete sich in Mindelheim der Velocipedc­lub. Er ist der älteste Radfahrver­ein in ganz

Bayern. Ein Bild in dem neuen Band erinnert an das Jubiläum in den 1960er Jahren. Mitglieder radelten auf historisch­en Rädern durch die Stadt.

Auch Eppishause­n kann auf eine lange Radbegeist­erung zurückblic­ken. Der Verein wurde 1904 gegründet. Fünf Jahre später weihte der Radverein eine eigene Standarte. Davon zeugt ein Foto mit den stolzen Recken und Ehrendamen.

Viel Aufsehen erregten auch die Himmelsstü­rmer. Aus dem Jahr 1893 ist ein Bild aus Bad Wörishofen überliefer­t. Zu sehen ist der Weltenfahr­er Alfred Groß mit seinem Fluggerät. Das präsentier­te er stolz im Garten des Sebastiane­ums. Auch den Wunder-Pfarrer Sebastian Kneipp lockte das Spektakel an, wie auf dem Bild zu sehen ist.

Das Unterallgä­u blieb flugbegeis­tert. Damit ist weniger der Flughafen Memmingerb­erg gemeint als der Flugzeugba­u von Grob in Mattsies. Ein Bild zeigt den Motorsegle­r Astir und die Erfolgsmas­chine G120TP.

Das Buch „Unterallgä­u – Heute und in einer anderen Zeit“ist in den Ge‰ schäftsste­llen der Mindelheim­er Zeitung, Tel.: 08261 / 9913‰10), im Buchhan‰ del sowie online unter www.mindelhei‰ mer‰zeitung.de/shop erhältlich. Es kos‰ tet 17,90 ¤.

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Getreideer­nte damals: Zahlreiche Bauern, Mägde, Knechte und Kinder mussten mit‰ helfen.
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Fotos: Hartmann/Verlag Hans Högel Große Maschinen statt vieler Menschen – das macht die Ernte in der Landwirtsc­haft im Unterallgä­u heutzutage aus.

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