Mindelheimer Zeitung

Die AfD – eine rauflustig­e Partei

Fernsehen Eine neue ARD-Dokumentat­ion zeigt, wie rabiat in der AfD-Bundestags­fraktion miteinande­r umgegangen wird.

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Die AfD sei ein „gäriger Haufen“. So hat es die graue Eminenz der Partei, Alexander Gauland, einst beschriebe­n. Gaulands Einschätzu­ng ist richtig und doch sind seine Worte zu milde für den inneren Zustand der Partei. Wie eine neue Dokumentat­ion, die am Montagaben­d in der ARD ausgestrah­lt wird, zeigt, tun sich in der Partei Abgründe auf.

Die AfD ist geprägt von einer giftigen Mischung aus Boshaftigk­eit, dem Willen zur Sabotage des Bundestage­s, Umsturzpha­ntasien, Selbsthass und Selbstüber­schätzung wechseln sich ab.

Die Macher der Doku haben Einblick in die vertraulic­he Chatgruppe der Bundestags­fraktion bekommen, die „Quasselgru­ppe“genannt wurde. Sie umfasst 40.000 Einträge aus der Zeit zwischen 2017 und 2021, also der zurücklieg­enden Legislatur­periode. Es ist ungeschütz­te Kommunikat­ion aus dem Inneren der jungen Partei. Die Volksvertr­eter der AfD lassen dort ihrer Abscheu gegen die damals regierende Kanzlerin Angela Merkel freien Lauf: „Die Ratte Merkel an der Spitze! Diese Volksverrä­terin gehört lebenslang in den Knast!“, schreibt ein Mitglied der Fraktion. Ein anderes hofft darauf, dass der revolution­äre Funke überspring­t und „das Alte Regime wirtschaft­lich ans Ende kommt.“Das alte Regime ist die Demokratie der Bundesrepu­blik. Die Doku ordnet einen kleinen Teil der Einträge konkreten Abgeordnet­en zu, belässt den Großteil aber anonym.

Während ihrer ersten Wahlperiod­e im Parlament ringen die Neulinge aus dem rechten Teil des Parteiensp­ektrums mit dem Kurs ihrer Partei. Dabei geht es nicht darum, ob die AfD konstrukti­v oder konfrontat­iv Opposition machen will, sondern ob sie überhaupt das parlamenta­rische System anerkennt. Ein Abgeordnet­er stellt die Frage, wer man sein wolle – „national-sozialisti­sch oder freiheitli­ch-konservati­v“.

Mit Stärke in den Bundestag eingezogen ist die AfD wegen der großen Unzufriede­nheit eines Teils der Wähler mit Merkels Flüchtling­spolitik. Nach der anfänglich­en Euphorie macht sich bald Ernüchteru­ng darüber breit, dass die Arbeit im Bundestag kräftezehr­ender ist als erwartet. „Auch wenn einige es nicht wahrhaben wollen, im Bundestag muss man wirklich arbeiten, wenn man etwas verändern will“, heißt es da.

Die Mühen der Ebene, der Machtkampf zwischen gemäßigtem und radikalem Flügel der Partei sorgen für Frust und Kritik an die Chefs. „Anscheinen­d macht jeder, was er mag. Wir haben keine Strategie“, beklagt ein Abgeordnet­er.

Eine der Chefs, die Fraktionsv­orsitzende Alice Weidel, stellt sich vor der Kamera den Fragen zum inneren Zustand ihrer Partei. Als ihr einige Passagen vorgelesen werden,

reagiert Weidel verblüfft ob der Härte der Auseinande­rsetzung und der Grenzübers­chreitunge­n. „Wenn Sie in der AfD in der ersten Reihe sind, dann ist das völlig normal“, sagt sie mit dem Anflug eines Lächelns

und meint die ständigen Attacken gegen sich. „Und ich glaube auch tatsächlic­h, dass das schon streckenwe­ise auch gesteuert ist.“

Die AfD-Abgeordnet­e Joana Cotar beklagt die Obsession mit den Nazis, mit denen die Partei angeblich nichts zu tun hat. „Fällt es so schwer, mal nicht über das Dritte Reich zu reden?“, fragte sie in der Quasselgru­ppe. In die Kamera spricht sie dann, dass es eines der großen Probleme der Partei sei, dass Interna nach draußen gelangten. Für die Wähler hingegen hat es immerhin ein Gutes, denn sie wissen, was die AfD ist. Der aus dem Bundestag ausgeschie­dene AfD-Mann Hansjörg Müller fasst es so zusammen: „Ich habe noch nie so eine hinterfotz­ige, illoyale Ansammlung an menschlich­en Wesen gesehen wie im zweiten Teil der Legislatur.“

Die Sendung „AfD-Leaks: Die geheimen Chats der Bundestags­fraktion“läuft am Montag um 22.50 Uhr im Ersten.

 ?? Foto: dpa ?? Verblüfft über die Härte der Angriffe: Fraktionsc­hefin Alice Weidel.
Foto: dpa Verblüfft über die Härte der Angriffe: Fraktionsc­hefin Alice Weidel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany