Wie Raubgräber Geschichte zerstören
Archäologie Immer mehr Sondengänger machen sich auf die Suche nach Schätzen aus der Vergangenheit. Nun haben Unbekannte auch eine Grabungsstätte in Manching beschädigt.
Ingolstadt Als sie an jenem Montagmorgen Anfang Mai zurück an die Ausgrabungsstätte im oberbayerischen Manching gekommen sind, da wussten die beiden Archäologen Marina Lindemeier und Sebastian Hornung gleich, was passiert war: 140 Löcher, haben sie später gezählt, waren in den Boden gegraben worden. Einige davon wieder notdürftig zugeräumt. Als sich die beiden Grabungsleiter den Boden genauer anschauten, sahen sie noch die Abdrücke von den Knien und Schuhspitzen jener Menschen, die irgendwann am Wochenende mit Buntmetallsonden und Klappspaten zugange gewesen waren: Raubgräber. Menschen, die mit einer professionellen Ausstattung auf die Suche nach Schätzen aus der Vergangenheit gehen.
Was sie gefunden haben, ob sie überhaupt etwas gefunden haben? Diese Fragen sind für Generalkonservator Mathias Pfeil, Leiter des bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, erst einmal zweitrangig. Was er aber schon sicher weiß: Der oder die Täter oder Täterinnen haben der Wissenschaft einen enormen Schaden zugefügt. „Das ist das, was wehtut“, sagt Pfeil. Selbst, wenn mögliche Fundstücke wieder auftauchen sollten, haben sie kaum noch einen Wert für die Wissenschaft. Denn die Denkmalpfleger werden nie erfahren, in welchem Bereich des Grabungsfelds sie gefunden worden sind, in welcher Bodentiefe, mit welchen anderen Gegenständen zusammen. Aber erst aus all diesen Einzelheiten ließe sich ein Bild zusammensetzen. „Das sind Leute, die keinen Respekt vor der Geschichte haben“, sagt Pfeil über die Täter.
Manching liegt direkt vor den Toren Ingolstadts und ist heute bekannt als Airbus- und Bundeswehrstandort. Doch vor 2000 Jahren befand sich dort eine der bedeutendsten Keltensiedlungen Mitteleuropas. Das Oppidum war eine Großstadt, auf einer Fläche von 380 Hektar lebten 10.000 Menschen. Schon seit dem 19. Jahrhundert finden dort archäologische Ausgrabungen statt, erklärt Walter Irlinger, Leiter der Bodendenkmalpflege am Landesamt für Denkmalpflege. Der größte Schatz wurde 1999 entdeckt: 450 Goldmünzen.
Hofften die Raubgräber also auf eine ähnliche Entdeckung? Pfeil glaubt, dass es den wenigsten darum geht, reich zu werden. „Das sind Abenteurer“, sagt er. Und wie sollten sie keltisches Gold auch überhaupt zu Geld machen? Mit Angeboten auf diversen Plattformen ist die Gefahr groß, erwischt zu werden.
Allerdings spielt eine bayerische Sonderregelung den Schatzsuchern durchaus in die Hände. Denn in Bayern gilt die Hadrianische Teilung, wonach dem Finder und dem Grundstückseigentümer jeweils die Hälfte eines Schatzes zusteht. Selbst dann, wenn die Grabung illegal war.
Mathias Pfeil hofft, dass sich das bald ändern wird und ein sogenanntes Schatzregal eingeführt wird, wie es bereits in allen andern Bundesländern existiert. Dann hat allein der Staat Zugriff auf die herrenlosen Funde.
Niemand weiß, wie viele Sondengänger bayernweit unterwegs sind und niemand weiß, wie viele Funde bereits in dunklen Kanälen verschwunden sind. Zwar gibt es keine separate Statistik zu Raubgrabungen, doch das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) spricht davon, dass „ein Anstieg bei den Fällen durchaus festgestellt werden“könne. Die Ermittler aus dem Bereich der Kunstfahndung nennen zwei Gründe. Zum einen gingen immer mehr Menschen in ihrer Freizeit auf Schatzsuche, zum anderen fühlten sich dadurch aber auch immer mehr Grundstückseigentümer belästigt. Wenn dann durch die zumeist nicht genehmigten Grabungen auch noch Schäden entstehen, erstatten sie bei der Polizei Anzeige. So wie es auch im Manchinger Fall geschehen ist. Die Ingolstädter Polizei ermittelt hier wegen einer Ordnungswidrigkeit. Beim Verstoß gegen das Denkmalschutzgesetz können den Tätern schlimmstenfalls Zahlungen von bis zu fünf Millionen Euro drohen. Aber auch eine Unterschlagung steht bei Raubgrabungen im Raum, schließlich steht dem Grundstückseigentümer rechtlich die Hälfte des Fundes zu.
Nicht nur, dass die Raubgrabung in Manching illegal war, sie war für den oder die Unbekannten auch noch ziemlich gefährlich. Denn im Boden direkt neben der viel befahrenen Bundesstraße 16 schlummern nicht nur Schätze aus der Keltenzeit, sondern auch Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg. Immer wieder tauchen Blindgänger auf. „Die Gefahr, in die Luft zu fliegen, ist gegeben“, sagt Archäologe Sebastian Hornung.
Eine bayerische Sonderregel erschwert die Lage