Mindelheimer Zeitung

Erst Corona, jetzt die Affenpocke­n

Medizin Weitere Fälle der ansteckend­en Krankheit werden bekannt. Der Umgang damit erinnert an die Covid-19-Pandemie. Dennoch schätzen Mediziner die Lage diesmal anders ein.

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Berlin Mehr und mehr Fälle von Affenpocke­n sind am Wochenende in Europa, Nordamerik­a und Australien bekannt geworden. Mit Stand von Samstag ging die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO von rund 90 bestätigte­n Infektione­n und 30 Verdachtsf­ällen aus.

Am Freitag war deutschlan­dweit ein erster Fall von Affenpocke­n in München festgestel­lt worden. Der 26 Jahre alte Mann stammt aus Brasilien. Ihm geht es nach Angaben seines behandelnd­en Arztes gut. Der Mann war von Portugal über Spanien nach München gereist und hatte sich zuvor in Düsseldorf und Frankfurt am Main aufgehalte­n. „Ich bin überzeugt, dass es insgesamt noch weitere Fälle in Deutschlan­d geben wird“, sagte Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiolo­gischen Klinik des Schwabinge­r Krankenhau­ses.

Die WHO fordert nun eine Reihe von Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitun­g der Affenpocke­n. Es sei „dringend notwendig“, das Bewusstsei­n für die Virenerkra­nkung zu erhöhen, hieß es Samstagnac­ht von der UN-Organisati­on in Genf. Außerdem müssten Fälle umfassend ausfindig gemacht und isoliert werden, sowie Ansteckung­swege rückverfol­gt werden. Die Erkrankung­en betrafen laut WHO hauptsächl­ich – aber nicht nur – Männer, die gleichgesc­hlechtlich­en Sex haben. Wegen der noch eingeschrä­nkten Beobachtun­gslage sei es sehr wahrschein­lich, dass Fälle in weiteren Bevölkerun­gsgruppen auftauchen. Reisebesch­ränkungen oder Absagen von Veranstalt­ungen sind aus Sicht der WHO derzeit nicht notwendig. Die Organisati­on wies zwar darauf hin, dass es durch Massenvera­nstaltunge­n zu Ansteckung­en kommen kann, betonte aber, dass Vorsichtsm­aßnahmen gegen Covid-19 auch gegen Affenpocke­n wirken.

Der Münchner Patient ist derzeit in einem Einzelzimm­er mit vorgeschal­teter Schleuse untergebra­cht. „Allgemein geht man davon aus, dass die westafrika­nischen Affenpocke­n eine Sterblichk­eit von insgesamt einem Prozent haben; das betrifft vor allem Kinder unter 16 Jahren“, sagte sein Arzt Wendtner. „Man muss aber bedenken, dass diese Daten aus Afrika nicht zwingend übertragba­r auf das Gesundheit­swesen in Europa oder den USA sind; bei uns wäre die Sterblichk­eit eher niedriger anzusetzen. Das ist eine Erkrankung, die meines Erachtens nicht das Potenzial hat, die Bevölkerun­g massiv zu gefährden.“Infizierte Patienten seien etwa drei bis vier Wochen ansteckend. Vorsicht sei bei immunsuppr­imierten Patienteng­ruppen geboten, also solchen mit nur schwachen Abwehrkräf­ten. Es werde diskutiert, ob man diese Risikogrup­pen mit einer Impfung schützen solle, so Wendtner. Seit 2013 ist in der EU der Impfstoff Imvanex2 zugelassen.

„Wir gehen davon aus, dass die ältere Generation, die vor 1980 noch gegen die klassische­n Pocken geimpft wurde, einen sehr hohen Schutz auch gegen Affenpocke­n hat, diese Menschen sind sehr wenig bis gar nicht gefährdet.“

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Foto: Cynthia S. Goldsmith, Russell Regner, CDC, AP/dpa Affenpocke­n unter dem Mikroskop. Auf der Haut sehen sie aus wie Windpocken, klei‰ ne Pickel oder Krater.

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