So reagieren Therme und Tricor auf die GasAlarmstufe
Versorgungssicherheit Thermeneigner Jörg Wund gibt Großprojekt zur Sicherung des Betriebes frei. Tricor baut vor, um im Ernstfall staatlichen Maßnahmen wie einer Abschaltung zu entgehen.
Bad Wörishofen Seit Kriegsbeginn in der Ukraine macht sich Thermenchef Jörg Wund Sorgen um die Energieversorgung seines Bades in Bad Wörishofen. Seit Donnerstag sieht er sich bestätigt. In Deutschland gilt die Gas-Alarmstufe. Wund reagiert nun im großen Stil. Auch bei der Tricor AG, dem größten Arbeitgeber der Kneippstadt, blickt man mit Sorge auf die Entwicklung – und stuft sich selbst schon einmal als systemrelevant ein.
„Die Sorgen, die ich seit Kriegsbeginn hatte, zeichnen sich jetzt ab“, sagt Jörg Wund. Der Thermenchef hat schon frühzeitig reagiert, was ihm nun hilft. „Wir haben schon in der zweiten Kriegswoche Solarelemente bestellt, die bereits eingetroffen sind“, berichtet er. Seinem Technikchef hat er nun grünes Licht für „große Investitionen zur Betriebssicherheit“gegeben. Es geht um den Ausbau erneuerbarer Energien.
„Unsere nächste Ausbaustufe kommt bereits im Juli zur Umsetzung“, berichtet Birgit Ernst von der Geschäftsleitung der Therme. „Wir erweitern unsere bestehende Photovoltaikanlage um weitere 40 Prozent. Zudem laufen die Planungen für eine Photovoltaik-Großanlage mit zusätzlichen 1,4 bis 1,9 Megawatt.“Die Großanlage ist auf dem Gästeparkplatz in Form von SolarCarports geplant. „Damit nutzen wir den Vorteil, keine Flächen versiegeln zu müssen“, erläutert Ernst. „Die damit gewonnene Energie wollen wir mithilfe einer Großwärmepumpe zur Eigenversorgung nutzen.“Dieses Großprojekt plane man mit ortsansässigen sowie regionalen Partnern. Energieeffizienz sei schon beim Bau der Therme in Bad Wörishofen ein großes Thema gewesen. Das Bad werde unter anderem mit Erdwärme aus der Venusquelle und zwei Blockheizkraftwerken, die Strom und Wärme erzeugen, versorgt. Vor etwa zwei Jahren kam eine Solaranlage dazu. „Auch durch unsere Glasfassaden- und Dächer haben wir an sonnigen Tagen einen hohen Solarwärmegewinn und sparen die komplette Lüftungsenergie, wenn das Dach an warmen Tagen aufgefahren wird“, erläutert Ernst. „Technisch sind unsere Systeme zur Energieeffizienz auf dem neuesten Stand.“
Auch bei der Tricor AG befasst man sich seit Wochen mit dem Energie-Ernstfall. „Aktuell gibt es noch keine weiteren Informationen
oder Anordnungen zur Verringerung des Verbrauchs oder zur Abschaltung von Industriekunden, End- und Großverbraucher“, berichtet der stellvertretende Unternehmenschef Klaus Wiblishauser. Eine weitere Eskalationsstufe gibt es noch, die Notfallstufe. Dann schreitet der Staat ein „um insbesondere die Versorgung der geschützten Kunden sicherzustellen“, so Wiblishauser. „Das sind private Haushalte, aber auch Krankenhäuser, stationäre Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen zur Pflege und Betreuung behinderter Menschen sowie etwa Feuerwehr, Polizei und Bundeswehr.“
Für andere können sogar Abschaltungen angeordnet werden, etwa für Industriekunden wie Tricor. „Eine feste Abschaltreihenfolge in Bezug auf einzelne Großverbraucher
oder Branchen gibt es nicht, wohl aber Kriterien, an denen sich die Bundesnetzagentur orientiert“, sagt Wiblishauser. Dies seien etwa die Dringlichkeit der Maßnahme, die Größe des Unternehmens, die Vorlaufzeiten für ein Herunterfahren oder die erwarteten volks- und betriebswirtschaftlichen Schäden.
„Natürlich befassen wir uns intensiv mit den möglichen Szenarien und bereiten uns auf die gegebenfalls erforderlichen Maßnahmen vor“, sagt Wiblishauer. „Der Bedeutungsgrad der Tricor AG, beziehungsweise die gesellschaftliche und damit die Systemrelevanz unserer Produktion und unserer Produkte ist als hoch einzustufen“, findet er. „Kernkundschaften in den Industriezweigen Medizin, Chemie, Elektrotechnik und Automobilindustrie rechtfertigen beim Thema Versorgungssicherheit
durchaus die Einstufung als unsubstituierbares kritisches Gut“, sagt Wiblishauser. Tricor hat nach einer Großübernahme mittlerweile rund 2000 Beschäftigte an mehreren Standorten, wenn das Kartellamt zustimmt.
Wie es weitergeht, vermag man bei den Stadtwerken Bad Wörishofen derzeit nicht zu sagen. „Wir sind in Bad Wörishofen abhängig von den weiteren Entwicklungen bzw. Entscheidungen sowohl in der Politik, als auch in den Lieferketten“, teilt Werkleiter Peter Humboldt mit. „Wir sehen uns derzeit nicht in der Lage, ein genaueres Bild“als das Wirtschaftsministerium zu zeichnen. Dort redete Minister Robert Habeck Klartext. „Die Drosselung der Gaslieferungen ist ein ökonomischer Angriff Putins auf uns“, sagte er.