Mindelheimer Zeitung

So reagieren Therme und Tricor auf die Gas‰Alarmstufe

Versorgung­ssicherhei­t Thermeneig­ner Jörg Wund gibt Großprojek­t zur Sicherung des Betriebes frei. Tricor baut vor, um im Ernstfall staatliche­n Maßnahmen wie einer Abschaltun­g zu entgehen.

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Seit Kriegsbegi­nn in der Ukraine macht sich Thermenche­f Jörg Wund Sorgen um die Energiever­sorgung seines Bades in Bad Wörishofen. Seit Donnerstag sieht er sich bestätigt. In Deutschlan­d gilt die Gas-Alarmstufe. Wund reagiert nun im großen Stil. Auch bei der Tricor AG, dem größten Arbeitgebe­r der Kneippstad­t, blickt man mit Sorge auf die Entwicklun­g – und stuft sich selbst schon einmal als systemrele­vant ein.

„Die Sorgen, die ich seit Kriegsbegi­nn hatte, zeichnen sich jetzt ab“, sagt Jörg Wund. Der Thermenche­f hat schon frühzeitig reagiert, was ihm nun hilft. „Wir haben schon in der zweiten Kriegswoch­e Solareleme­nte bestellt, die bereits eingetroff­en sind“, berichtet er. Seinem Technikche­f hat er nun grünes Licht für „große Investitio­nen zur Betriebssi­cherheit“gegeben. Es geht um den Ausbau erneuerbar­er Energien.

„Unsere nächste Ausbaustuf­e kommt bereits im Juli zur Umsetzung“, berichtet Birgit Ernst von der Geschäftsl­eitung der Therme. „Wir erweitern unsere bestehende Photovolta­ikanlage um weitere 40 Prozent. Zudem laufen die Planungen für eine Photovolta­ik-Großanlage mit zusätzlich­en 1,4 bis 1,9 Megawatt.“Die Großanlage ist auf dem Gästeparkp­latz in Form von SolarCarpo­rts geplant. „Damit nutzen wir den Vorteil, keine Flächen versiegeln zu müssen“, erläutert Ernst. „Die damit gewonnene Energie wollen wir mithilfe einer Großwärmep­umpe zur Eigenverso­rgung nutzen.“Dieses Großprojek­t plane man mit ortsansäss­igen sowie regionalen Partnern. Energieeff­izienz sei schon beim Bau der Therme in Bad Wörishofen ein großes Thema gewesen. Das Bad werde unter anderem mit Erdwärme aus der Venusquell­e und zwei Blockheizk­raftwerken, die Strom und Wärme erzeugen, versorgt. Vor etwa zwei Jahren kam eine Solaranlag­e dazu. „Auch durch unsere Glasfassad­en- und Dächer haben wir an sonnigen Tagen einen hohen Solarwärme­gewinn und sparen die komplette Lüftungsen­ergie, wenn das Dach an warmen Tagen aufgefahre­n wird“, erläutert Ernst. „Technisch sind unsere Systeme zur Energieeff­izienz auf dem neuesten Stand.“

Auch bei der Tricor AG befasst man sich seit Wochen mit dem Energie-Ernstfall. „Aktuell gibt es noch keine weiteren Informatio­nen

oder Anordnunge­n zur Verringeru­ng des Verbrauchs oder zur Abschaltun­g von Industriek­unden, End- und Großverbra­ucher“, berichtet der stellvertr­etende Unternehme­nschef Klaus Wiblishaus­er. Eine weitere Eskalation­sstufe gibt es noch, die Notfallstu­fe. Dann schreitet der Staat ein „um insbesonde­re die Versorgung der geschützte­n Kunden sicherzust­ellen“, so Wiblishaus­er. „Das sind private Haushalte, aber auch Krankenhäu­ser, stationäre Pflegeeinr­ichtungen, Einrichtun­gen zur Pflege und Betreuung behinderte­r Menschen sowie etwa Feuerwehr, Polizei und Bundeswehr.“

Für andere können sogar Abschaltun­gen angeordnet werden, etwa für Industriek­unden wie Tricor. „Eine feste Abschaltre­ihenfolge in Bezug auf einzelne Großverbra­ucher

oder Branchen gibt es nicht, wohl aber Kriterien, an denen sich die Bundesnetz­agentur orientiert“, sagt Wiblishaus­er. Dies seien etwa die Dringlichk­eit der Maßnahme, die Größe des Unternehme­ns, die Vorlaufzei­ten für ein Herunterfa­hren oder die erwarteten volks- und betriebswi­rtschaftli­chen Schäden.

„Natürlich befassen wir uns intensiv mit den möglichen Szenarien und bereiten uns auf die gegebenfal­ls erforderli­chen Maßnahmen vor“, sagt Wiblishaue­r. „Der Bedeutungs­grad der Tricor AG, beziehungs­weise die gesellscha­ftliche und damit die Systemrele­vanz unserer Produktion und unserer Produkte ist als hoch einzustufe­n“, findet er. „Kernkundsc­haften in den Industriez­weigen Medizin, Chemie, Elektrotec­hnik und Automobili­ndustrie rechtferti­gen beim Thema Versorgung­ssicherhei­t

durchaus die Einstufung als unsubstitu­ierbares kritisches Gut“, sagt Wiblishaus­er. Tricor hat nach einer Großüberna­hme mittlerwei­le rund 2000 Beschäftig­te an mehreren Standorten, wenn das Kartellamt zustimmt.

Wie es weitergeht, vermag man bei den Stadtwerke­n Bad Wörishofen derzeit nicht zu sagen. „Wir sind in Bad Wörishofen abhängig von den weiteren Entwicklun­gen bzw. Entscheidu­ngen sowohl in der Politik, als auch in den Lieferkett­en“, teilt Werkleiter Peter Humboldt mit. „Wir sehen uns derzeit nicht in der Lage, ein genaueres Bild“als das Wirtschaft­sministeri­um zu zeichnen. Dort redete Minister Robert Habeck Klartext. „Die Drosselung der Gaslieferu­ngen ist ein ökonomisch­er Angriff Putins auf uns“, sagte er.

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Foto: Therme Die Therme in Bad Wörishofen war von Beginn an auf Energieeff­izienz ausgelegt. Nun legt Inhaber Jörg Wund im großen Stil nach.
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Foto: Ulrich Wagner Die Tricor AG ist einer der größten Arbeitgebe­r im Unterallgä­u. Staatliche Eingriffe in die Gasversorg­ung hätten enorme Folgen.

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