Und sie sollen nun Berge versetzen?
Die Erwartungshaltung vor dem G7-Gipfel ist groß. Es geht darum, bestimmte Bilder zu produzieren – und andere zu verhindern. Doch was können die Staatenlenker auf Schloss Elmau wirklich erreichen?
Krün Ein G7-Gipfel ist ein kompliziertes Gebilde, da stechen die einfachen Dinge besonders hervor. Etwa 18.000 Polizistinnen und Polizisten sind aufgeboten, um das Treffen der wichtigsten demokratisch geführten Industrienationen auf Schloss Elmau abzusichern. Für alle anderen Teilnehmer, Gäste, oder auch Journalisten bedeutet das: Sie brauchen starke Nerven, wenn zum Beispiel die Gesetzeshüter für die Kolonne des amerikanischen Präsidenten Joe Biden den Weg versperren und man anderthalb Stunden warten muss, um einfach nur zum Hotel zu kommen. Das wohlgemerkt nur zwei Minuten entfernt liegt.
Hubschrauber kreisen sichtbar über den benachbarten Städten und Dörfern, unsichtbar sind die vielen Satelliten, die noch bis Dienstag auf das Gipfeltreffen gerichtet sind. Viel moderne Technik also, eine wichtige Waffe ist gleichwohl Speiseöl. Es gibt viele Menschen hier, die einen Knopf im Ohr und eine Waffe am Gürtel tragen. Das alles allerdings ist wirkungslos, wenn sich Demonstranten mit der Handfläche an den Asphalt kleben. Da kommt das Speiseöl ins Spiel. Bei den Briefings für die Sicherheitskräfte wird Olivenöl als heißer Tipp gehandelt. Es wird zwischen Straße und Handfläche getröpfelt, der Kleber löst sich und – ganz wichtig, weil sonst eine Anzeige wegen Körperverletzung droht – die Haut bleibt heile.
Zumindest die ersten Stunden des Gipfels passiert ohnehin nichts, man wüsste auch gar nicht, wo sich jemand ankleben wollte, denn an den großen Kreuzungen steht ohnehin die Polizei. Für Kanzler Olaf Scholz ist das eine gute Nachricht, denn Protestaktionen würden das Gipfel-Geschehen überlagern. Der SPD-Politiker wird sich noch gut an den G20-Gipfel vor fünf Jahren in Hamburg erinnern, bei dem er als Erster Bürgermeister ausartende Krawalle und Kritik an seinem Sicherheitskonzept erleben musste.
Ein paar hundert Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt sind ins Internationale Medienzentrum im Schatten der Zugspitze nach Garmisch-Partenkirchen gekommen, sie würden Bilder von Protesten, Wasserwerfern und Knüppeln binnen Sekunden in alle Welt verbreiten – und der schöne Eindruck wäre zerstört. Denn dafür ist Schloss Elmau ja auch ausgesucht worden: Für die sogenannten Aufsager der Fernsehstationen aus Japan, den USA, Frankreich und vielen anderen Ländern sind zwei Stockwerke in der großen Zeltstadt des Medienzentrums reserviert. 50 Meter lang, acht Meter tief und natürlich so ausgerichtet, dass die eindrucksvolle Bergkulisse richtig zur Geltung kommt. Wie tief das Zugspitzmotiv in der Kommunikationsstrategie der Regierung verankert ist, zeigt die jüngste Videobotschaft des Kanzlers. „Elmau liegt in den Bergen, Berge versetzen werden wir dort sicher nicht“, sagt Scholz in die Kamera und ergänzt: „Aber wir können wichtige Entscheidungen treffen und Dinge vorbereiten, die für uns alle nützlich sind.“
Die wichtigen Entscheidungen lassen zum Auftakt am Sonntag zunächst auf sich warten. Auch das ist so ein Problem mit dem G7-Gipfel. Die Welt wartet auf konkrete Beschlüsse, auf kraftvolle Zeichen der Solidarität mit der Ukraine und gegen Russland. Das Format kann das allerdings gar nicht leisten. „Die G7 sind eine gute Gemeinschaft, um gemeinsame Antworten zu entwickeln auf die Herausforderungen unserer Zeit“, sagt Olaf Scholz. Es sei gut, dass man „ganz entfernt von den typischen, formalisierten Abläufen“miteinander sprechen könne. Sanktionen lassen sich so vorbereiten, aber nicht konkret umsetzen.
Der Kanzler kann auf Schloss Elmau auch weiter für seinen „Klimaklub“werben und wird da auf offene Ohren stoßen. Fortschritte im Kampf gegen die Erderhitzung lassen sich aber, wenn überhaupt, nur im Format der 20 wichtigsten Industrienationen und Schwellenländer (G20) erzielen. Ohne China und Indien beispielsweise geht bei Klimathemen nichts. Auch Russland müsste dabei sein, und da lässt in der Neuigkeiten-Flaute ein Satz von EU-Ratspräsident Charles Michel aufhorchen. Er spricht sich recht deutlich gegen einen Ausschluss Moskaus vom nächsten G20-Gipfel aus, der Mitte November auf der indonesischen Insel Bali stattfinden soll.
Ansonsten beobachten die Journalistinnen und Journalisten weiter die Lage, schreiben Texte oder produzieren ihre Beiträge. In den kurzen Pausen geht es dann um Klatsch und Tratsch und die Frage, ob die „vegetarisch-vegane Speisenkonzeption“dem Veranstaltungsort wirklich angemessen ist? In der japanischen Delegation sind die traurigen Gesichter derjenigen zu sehen, die sich auf bayerischen Leberkäse und ähnlich deftige Speisen gefreut hatten. Sie werden bei diesem Gipfel nicht mehr glücklich werden, denn die Bundesregierung hat den Fokus bei der Speisenauswahl „auf saisonale und kreative vegane und vegetarische Speisen“gerichtet. Fleisch und Fisch seien bewusst nur zur Ergänzung gedacht.
Neben 4000 veganen Bagels, 7500 Semmeln, 3000 Brezen, 4000 Stück Kuchen, 2000 Kilogramm Gemüse bekommen die Fleischliebhaber „Rindfleischkomponenten aus zwei ganzen heimischen Simmentaler Rindern“gereicht. Ob die Japaner das milde stimmt?
Wenn der US-Präsident kommt, heißt es warten