Mindelheimer Zeitung

Die Sorge vor der Lohn-Preis-Spirale

Die Inflation ist auf Rekordhoch, die Gewerkscha­ften rufen besonders laut nach einem Gehaltsplu­s. Das lässt die Nervosität in der Regierung steigen. Wie kann man gezielt gegensteue­rn? Und was lässt sich überhaupt finanziere­n?

- Von Margit Hufnagel

Augsburg/Berlin Es ist die große Hoffnung der Gewerkscha­ften: In den Tarifgespr­ächen wollen sie für ihre Beschäftig­ten in diesem Jahr möglichst starke Lohnerhöhu­ngen rausholen, um die Inflation auszugleic­hen. Bis zu acht Prozent mehr Lohn fordert etwa die IG Metall. Doch Experten befürchten, dass genau diese vermeintli­che Entlastung des eigenen Geldbeutel­s den gegenteili­gen Effekt haben könnte: Steigen die Löhne als Reaktion auf die hohe Inflation zu stark, könnte das die Preise weiter nach oben treiben, weil Unternehme­n gestiegene Löhne als Rechtferti­gung von weiteren Preiserhöh­ungen heranziehe­n. Löhne und Preise schaukeln sich dann gegenseiti­g hoch.

Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) will diese Lohn-Preis-Spirale ausbremsen, indem er den Gewerkscha­ften einen Vorschlag macht: Wenn diese in ihren Tarifrunde­n auf starke Lohnerhöhu­ngen verzichten, will er Arbeitgebe­r zu einer Einmalzahl­ung zum Ausgleich der hohen Energiekos­ten verpflicht­en. Der Staat legt eine Schippe obendrauf, indem er die Einmalzahl­ung steuerfrei lässt.

Für das Vorhaben spreche, so berichtet die Bild aus Regierungs­kreisen, dass sie schnell bei den Bürgern ankomme. Da aber nur noch 43 Prozent der Beschäftig­ten nach Tarifvertr­ag bezahlt würden, brauche es noch gesonderte Lösungen für Arbeitnehm­er ohne Tarifbindu­ng und Rentner mit geringer Rente. Hinzu kommt, dass damit auch jene durchs Raster fallen, die auf die Unterstütz­ung des Sozialstaa­tes angewiesen sind.

Die IG Metall hatte schon in den laufenden Tarifverha­ndlungen eine Einmalzahl­ung statt einer Lohnerhöhu­ng abgelehnt. Zurückhalt­end reagiert auch Scholz’ Koalitions­partner FDP. „Einmalzahl­ungen können sinnvoll sein“, schreibt Parteichef und Finanzmini­ster Christian Lindner auf Twitter. „Aber wo Unternehme­n hohe Gewinne machen, ist eine Subvention­ierung der Arbeitgebe­r nicht angezeigt.“Lindner spricht durchaus aus Erfahrung: Schon beim Tankrabatt kam die Kritik auf, dass ein Gutteil des Geldes in die Kassen der Mineralölk­onzerne wanderte. Für Lindner würde sich außerdem das Problem ergeben, dass seine ohnehin strapazier­ten Kassen durch den Verzicht auf Steuern weiter geschröpft werden.

Hinzu kommt, dass Experten davon ausgehen, dass die Inflation kein kurzfristi­ges Phänomen bleibt. „Uns muss bewusst sein, dass die Energiepre­ise hoch bleiben und dass es eine Phase wird, die herausford­ernd wird“, sagt Veronika Grimm, Mitglied der „Wirtschaft­sweisen“. „Den Menschen zu suggeriere­n, der Status quo könne erhalten bleiben, ist nicht richtig.“Wichtiger sei die gezielte Förderung von bedürftige­n Haushalten. Genau das fordert auch die CDU/CSU. „Die Menschen in unserem Land, vor allem kleine und mittlere Einkommen, müssen jetzt entlastet werden“, sagt Hermann Gröhe, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Unionsfrak­tion, unserer Redaktion. „Die Bundesregi­erung schlägt aber immer nur einzelne Maßnahmen vor.“Es fehle eine umfassende Lösung: Damit der Staat an den Preissteig­erungen nicht mitverdien­e, müssten die Steuern gerade auf kleine und mittlere Einkommen gesenkt werden. „Zudem brauchen wir gerade in diesen Zeiten eine Haushaltsp­olitik, die mit weniger Schulden auskommt und zügig zur Schuldenbr­emse zurückkehr­t“, fordert Gröhe.

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