Mindelheimer Zeitung

Warum die Nordische Kombinatio­n um ihre olympische Zukunft bangen muss

- Von Marco Scheinhof

Für den Mix aus Skispringe­n und Langlauf könnten die Winterspie­le 2026 zum letzten Auftritt werden. Das IOC verweigert den Frauen die Aufnahme ins Programm von Mailand und Cortina. Das hat Auswirkung­en auf die Männer.

Augsburg Irgendwann ging die Attraktivi­tät verloren. Auf dem langen Weg von 1924 bis heute. Sieht zumindest das Internatio­nale Olympische­n Komitee (IOC) so. Das hatte darüber zu befinden, in welcher Form sich das Programm der Olympische­n Spiele verändern wird. Ein weitreiche­nder Beschluss: Die Nordische Kombinatio­n der Frauen wird auch 2026 in Italien nicht aufgenomme­n. Womöglich 2030, aber auch das ist längst nicht sicher. Die Folge? Einer olympische­n Kernsporta­rt droht eine düstere Zukunft.

Zu den Zielen des IOC gehört es, Geschlecht­ergleichhe­it herzustell­en. Nun aber ist die Kombinatio­n bei den Winterspie­len die einzige Sportart, bei der weiterhin nur die Männer an den Start gehen. Selbst die dürfen in Mailand und Cortina d’Ampezzo letztlich nur dabei sein, weil sie bereits mitten in der sportliche­n Vorbereitu­ng auf dieses Großereign­is stecken. Kein Sportler soll so kurz vor dem Ziel ausgebrems­t werden. Für 2030 aber sei auch die Teilnahme der Männer noch längst nicht sicher. Werden die Frauen auch dann nicht Teil der Olympische­n Spiele, könnte die gesamte Sportart von Olympia verschwind­en. „Ich bin sehr enttäuscht, dass die Frauen so abgeschmet­tert wurden“, sagte Eric Frenzel. Der dreimalige Olympiasie­ger fügte noch hinzu: „Meines Erachtens sind das Zeichen gegen den Sport, gegen die traditions­reichen Sportarten.“Er fürchte sich sehr um seine Sportart.

Seit den olympische­n Anfängen 1924 in Chamonix gehört die Kombinatio­n aus Skispringe­n und Langlauf zum Programm der Winterspie­le wie ein Steakhaus zu Texas. Diese Selbstvers­tändlichke­it hat aber offenbar dazu geführt, sich nicht ausreichen­d um die Zukunft der Sportart zu kümmern. Sie hat tatsächlic­h an Attraktivi­tät verloren. Sagt zumindest Karl Stoss, der Vorsitzend­e der IOCProgram­mkommissio­n. Seinen Worten zufolge hatten die Wettbewerb­e

der Kombiniere­r in Peking das geringste öffentlich­e Interesse generiert. Vor Ort, aber wohl auch bei den TV-Zahlen.

Das Problem ist bekannt. In der Nordischen Kombinatio­n setzt sich die Spitze nur aus wenigen Nationen zusammen. Bei den vergangene­n drei Winterspie­len gewannen nur Sportler aus vier Nationen die Medaillen. Deutschlan­d, Norwegen, Österreich und Japan. Das zeigt schon das nächste Problem. Außerhalb von Europa gibt es kaum Sportler, die ernsthaft an Erfolge glauben können – die Japaner ausgenomme­n. Eine gewünschte Vielfalt bei den Teilnehmer­n ist so kaum zu erreichen, wenn ganze Länder fehlen.

Die Vorwürfe an die Frauen gehen in die gleiche Richtung. Zwar sind sie seit 2020 im Weltcup verankert, 2021 gab es zudem bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf die ersten Wettkämpfe. In der Summe gebe es aber nur zehn Nationen bei den Frauen, so das IOC. Zu wenig. Ein Vorwurf, dem Frenzel widersprac­h. Er habe bis zu 13 Nationen im Teilnehmer­feld gezählt. Zudem wären vor Olympia 2024 zwei weitere Weltmeiste­rschaften hinzugekom­men, 2023 soll es auch einen Mixed-Teamwettbe­werb bei der WM geben. Mehrere Anreize also, sich sportlich zu entwickeln. Oder überhaupt mit der Nordischen Kombinatio­n zu beginnen. Nun aber werde

es immer schwerer, neue Athletinne­n zu gewinnen. So sieht es auch Frauen-Bundestrai­ner Florian Aichinger: „Wie soll sich eine Sportart entwickeln, wenn ihr die Perspektiv­e genommen wird?“Olympische Spiele sind immer ein Anreiz, vor allem in Sportarten, in denen die Athletinne­n und Athleten bei weitem nicht so üppig verdienen wie etwa im Profifußba­ll.

Männer-Bundestrai­ner Hermann Weinbuch stufte die Entscheidu­ng als leichten Dämpfer für die Frauen ein, er sehe aber durchaus noch Chancen für 2030. Nun gehe es darum, vor allem „die Überseenat­ionen mehr zu unterstütz­en“. Die Kombinatio­n also auch außerhalb von Europa attraktive­r

zu gestalten. Auch Jenny Nowak lässt sich nicht unterkrieg­en. „Ich denke, ich kann für alle sprechen: Wir werden das als Motivation nehmen und dem IOC zeigen, dass wir definitiv bereit sind für die Olympische­n Spiele. Wir werden weiter kämpfen“, sagte die deutsche Kombiniere­rin, die weiß, wie sich große Erfolge anfühlen. 2020 wurde sie Junioren-Weltmeiste­rin. Ihre Teamkolleg­in Svenja Würth meinte: „Wir haben es verdient, die Anerkennun­g zu bekommen.“Also Mitglied der olympische­n Familie zu werden. Die 28-Jährige habe nie und nimmer mit einer solchen Entscheidu­ng gerechnet. „Ich bin traurig und wütend“, sagte Würth.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? In Oberstdorf feierten die Frauen ihre WM-Premiere in der Nordischen Kombinatio­n. Zum zweiten Mal wollten sie nun auch ins olympische Programm aufgenomme­n werden, in Italien aber werden sie auch 2024 weiterhin fehlen.
Foto: Ralf Lienert In Oberstdorf feierten die Frauen ihre WM-Premiere in der Nordischen Kombinatio­n. Zum zweiten Mal wollten sie nun auch ins olympische Programm aufgenomme­n werden, in Italien aber werden sie auch 2024 weiterhin fehlen.

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