Mindelheimer Zeitung

Gina Lückenkemp­er läuft in die Weltspitze

Bei den deutschen Meistersch­aften in Berlin sorgt die Sprinterin mit ihrem 100-Meter-Sieg in 10,99 Sekunden für einen Glanzpunkt. Danach spricht die 25-Jährige über eine schwierige Zeit in ihrem Leben.

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Berlin Diesem Gefühl war Gina Lückenkemp­er vier Jahre vergeblich nachgejagt – im 100-Meter-Finale der deutschen Meistersch­aften in Berlin war es am Samstagabe­nd endlich wieder da. „Es hat sich angefühlt wie fliegen“, beschrieb die 25-Jährige ihren rasanten Lauf unter die Schallmaue­r von elf Sekunden. Nach einer langen, nicht einfachen Zeit stürmte die EM-Zweite in 10,99 Sekunden zurück an die Spitze der deutschen Sprint-Elite. Danach ließ sie ihren vielen Emotionen und den Tränen der Freude freien Lauf.

Die Leichtigke­it spürte sie in allen drei Rennen am Samstag, die sie „kontrollie­rt und easy“sowie gefühlt „ohne großen Aufwand“absolviert habe. Zuletzt war ihr so etwas 2018 bei der Europameis­terschaft in Berlin im Halbfinale und Finale in je 10,98 Sekunden gelungen, ebenfalls auf der blauen Laufbahn im Olympiasta­dion. Schneller flitzte Lückenkemp­er nur bei der WM 2017 in London in 10,95 Sekunden. „Gina hat einen unglaublic­h starken Lauf gezeigt“, zollte Rebekka Haase, die in 11,20 Sekunden Zweite wurde und die EM-Norm knackte, ihrer Konkurrent­in Respekt.

Die Grundlage für ihre flotte Rückkehr als Nummer eins im Frauen-Sprint nach Verletzung­spech und Corona-Ausbremsun­g legte die in Hamm geborene Westfälin beim US-Coach Lance Brauman in Florida. Es war ein Schritt über den Ozean, der zahlreiche Kritiker auf den Plan rief. Auch, weil der Trainer als nicht unumstritt­en wegen seiner Nähe zu Athleten gilt, die einen Doping-Schatten geworfen haben. Als es bei Lückenkemp­er nicht lief, erlebte sie zudem nach eigenen Angaben massive Beleidigun­gen und Anfeindung­en in den sozialen Medien. „Am schlimmste­n war, dass in der Gesellscha­ft auf jemanden, der am Boden liegt, eher draufgetre­ten wird, als dass eine helfende Hand kommt“, sagte die Athletin vom SCO Berlin im „Aktuellen Sportstudi­o“des ZDF. „Social Media ist

Fluch und Segen zugleich, Fluch war es bei mir vor zwei Jahren“, berichtete sie.

Vom Kurs ließ sie sich nicht abbringen. „Ich hatte immer das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Ich habe nie daran gezweifelt, auch wenn von vielen Seiten kritische Stimmen kamen“, betonte sie. „Ich war mir sicher, dass das, was ich mache, genau das Richtige ist.“Bei Brauman lernte Lückenkemp­er neue Dimensione­n der Trainingsi­ntensität und -vielfalt kennen – und sich im Kreis von Weltklasse­läufern wie Noah Lyles und Shauna Miller-Uibo zu behaupten. „Da will man sich keine Blöße geben und zeigen, dass man zu recht in der Gruppe ist“, sagte sie. „Jedes Training tut weh. Laktat-Schmerz lässt grüßen.“

Mit neuem Selbstbewu­sstsein blickt sie nun der WM vom 15. bis 24. Juli in Eugene/USA und der Heim-EM drei Wochen später in München entgegen. „Ich arbeite konzentrie­rt weiter. Dann wird es bei beiden Events noch mal richtig schnell“, sagte sie. Angestrebt ist, dass dies auch über 200 Meter und mit der Staffel der Fall sein wird. In Berlin verzichtet­e sie wegen müder Beine auf die 200 Meter.

Lückenkemp­er bedauerte, dass es nicht zum Duell mit Alexandra Burghardt kam, die 2021 beide Titel und im Winter als Bob-Anschieber­in auch noch Olympia-Silber in Peking holte. Wegen MagenDarm-Problemen musste die schnellste Frau der vergangene­n Saison den Start absagen. „Es wäre eine Challenge gewesen“, sagte Rivalin Lückenkemp­er. „Ich hätte es Alex gegönnt, zumindest die Chance zu haben, den Titel zu verteidige­n. Wenn sie fit ist, kann sie unfassbar starke Zeiten rennen.“

Malaika Mihambo ist ihrer Favoritenr­olle gerecht geworden und hat den sechsten Titel im Weitsprung gewonnen. Die 28 Jahre alte Olympiasie­gerin von der LG Kurpfalz siegte am Sonntag mit 6,85 Meter. Diskuswerf­er Christoph Harting hat knapp sechs Jahre nach seinem Olympiasie­g in Rio de Janeiro nicht mehr an seine einstige Bestform anknüpfen können. Der Berliner Lokalmatad­or wurde beim Sieg des Magdeburge­rs Martin Wierig (64,25 m) mit 59,91 Metern Vierter. (dpa)

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Foto: Leonie Horky, Witters Gina Lückenkemp­er freut sich über eine starke Zeit.

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