Mindelheimer Zeitung

Was der schwache Euro für uns bedeutet

Kursverfal­l könnte die Inflation weiter antreiben, birgt aber auch Chancen.

- Von Stefan Lange

Berlin Als die Finanzkris­e 2008 die Welt in Angst versetzte, als der Euro auf dem Spiel stand und die Börsen bebten, traten Angela Merkel und ihr Finanzmini­ster Peer Steinbrück vor die Mikrofone und versichert­en allen Sparerinne­n und Sparern, dass ihr Geld sicher sei. Die Beruhigung­spille der Kanzlerin zeigte Wirkung. Der Euro blieb stabil, selbst als in der Folge der Bankenkris­e reihenweis­e überschuld­ete EU-Staaten ins Schlingern gerieten. 14 Jahre später ist die Nervosität zurück. Der Euro zeigt Schwäche. Und nicht nur die Anleger fragen sich: Was kann das für Folgen haben?

Erstmals seit 2002 fiel die Gemeinscha­ftswährung zeitweise unter den Kurs von einem US-Dollar.

In der Politik wird schon wieder von einer „Euro-Krise“gesprochen. In Kombinatio­n mit der historisch hohen Inflation könnten sich daraus weitere Belastunge­n für die Bürgerinne­n und Bürger, aber auch für Unternehme­n ergeben. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, Marcel Fratzscher, sieht genau diese Gefahr.

Da viele internatio­nale Geschäfte in Dollar abgewickel­t würden, sei das zunächst ein Nachteil für heimische Firmen, weil ein schwächere­r Euro die Importprei­se erhöhe, sagte Fratzscher am Mittwoch in Berlin. „Kurzfristi­g könnte das die Inflation weiter befeuern, weil gewisse Produkte für uns als Konsumenti­nnen und Konsumente­n in Deutschlan­d, in der Eurozone, teurer werden.“Privathaus­halte müssen sich demnach besonders warm anziehen, denn die ohnehin hohen Energie- und Rohstoffpr­eise dürften weiter steigen, weil beispielsw­eise Öl- und Gaslieferu­ngen in Dollar abgerechne­t werden.

Maßgeblich­er Auslöser des Kursverfal­ls ist der Ukraine-Krieg. Er wirkt sich auf den Euro-Raum stärker aus als auf die USA, denn der Konflikt und der drohende Energieeng­pass befeuern die Angst vor einer Rezession. Das drückt auch auf die Stimmung an den Börsen. Doch noch ist es nicht so weit. Die Regierunge­n arbeiten unter Hochdruck daran, zu verhindern, dass Firmen im Winter den Betrieb einstellen müssen, weil Gas oder Strom fehlt. Auch Fratzscher betont trotz aller Risiken: „Die Effekte sind jetzt nicht dramatisch.“Der Euro sei aktuell gegenüber dem Dollar schwach. „Aber das heißt nicht, dass der Euro als Währung schwach ist.“Zumal die Exportnati­on Deutschlan­d von der Entwicklun­g auch profitiert. Denn Waren „made in Germany“werden im Ausland billiger, die Nachfrage nach ihnen steigt.

Der CSU-Finanzexpe­rte Sebastian Brehm macht für den Verfall des Euro-Kurses die Politik der Europäisch­en Zentralban­k verantwort­lich, „die ihren zentralen Auftrag der Preis- und Währungsst­abilität zuletzt nahezu vollständi­g vernachläs­sigt hat“. Die EZB habe „trotz vielfacher Warnungen die Inflation als Folge der jahrelange­n Flutung des Marktes mit billigem Geld über Monate nicht ernst genommen“. Brehm forderte die EZB auf, auf ihrer Sitzung am 21. Juli einen „größeren Zinsschrit­t“zu machen. Die EZB hat einen Leitzins von 0,25 Prozent beschlosse­n, in den USA liegt er siebenmal höher.

Unions-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Thorsten Frei betonte, die Zentralban­k müsse „ihrer geldpoliti­schen Verantwort­ung bei der Bekämpfung der Inflation gerecht werden“. Ihre vordringli­chste Aufgabe sei die Wahrung der Geldwertst­abilität, sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion.

Warum die Euro-Schwäche eine Chance für den deutschen Tourismus ist, steht in der

„Das heißt nicht, dass der Euro als Währung schwach ist.“

DIW-Chef Marcel Fratzscher

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