Mindelheimer Zeitung

Blick in die Corona-Zukunft

Derzeit infizieren sich trotz sommerlich­er Temperatur­en Hunderttau­sende mit Omikron – darunter jetzt auch Minister Habeck. Experten hatten die Welle und ein langsames Abflauen vorhergesa­gt. Wie lautet die Prognose für den Winter?

- Von Michael Pohl

Berlin Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck hat sich mit Corona infiziert. Wie eine Sprecherin mitteilte, wurde er am Mittwoch positiv getestet und hat Erkältungs­symptome. Wie Habeck geht es derzeit vielen Menschen. Immer mehr erleben selbst oder in ihrem Bekanntenk­reis Corona-Infektione­n mit mehr oder weniger deutlichen Symptomen. Das Saarland, Hessen und Bayern melden aktuell die höchsten Inzidenzza­hlen der um sich greifenden Omikronvar­iante. Und obwohl der Hochsommer naht, nehmen selbst die schweren Corona-Erkrankung­en zu: Die Zahl der wegen Covid-19 auf deutschen Intensivst­ationen behandelte­n Menschen stieg auf über 1200.

Immerhin vermeldet das Robert-Koch-Institut einen Lichtblick: Die „Sommerwell­e“flacht bereits wieder deutlich ab. Möglicherw­eise hat sie diese Woche bereits ihren Höhepunkt hinter sich gelassen: Am Mittwoch meldete das RKI erstmals wieder deutlich weniger Neuinfekti­onen als am Vortag, auch wenn 127.000 neue Fälle hinzukamen. Viele Menschen in Deutschlan­d sind überrascht, warum ausgerechn­et im warmen Juli Corona wieder so früh zurückkehr­t. Sogar Krankenhäu­ser müssen bereits wieder geplante Operatione­n verschiebe­n, weil teils bis zu 30 Prozent des medizinisc­hen und pflegerisc­hen Personals wegen Infektione­n ausfallen.

Für Experten kam die frühe Corona-Rückkehr dagegen nicht unerwartet. Auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach hatte Anfang März vor einer „Sommerwell­e“gewarnt. Wissenscha­ftler der TU Berlin hatten im April die Juliwelle mit ihrem Höhepunkt und Brechen zur Monatsmitt­e erstaunlic­h genau vorausbere­chnet, obwohl damals noch andere Omikronunt­ervariante­n vorherrsch­ten. Nun haben die sogenannte­n Modelliere­r um den Berliner Professor Kai Nagel neue Modellrech­nungen basierend auf der aktuellen Omikronvar­iante BA.5 vorgelegt, die einen Blick auf die kommenden Monate und vor allem den Winter riskieren lassen: Die Modellrech­ner erwarten angesichts der vielen zurücklieg­enden Sommerinfe­ktionen, dass das Pandemiege­schehen in Deutschlan­d bis Mitte August wieder etwas zurückgeht auf den Stand vom Juni.

Dann folgt in dem Prognosemo­dell ein Auf und Ab: Bis in die zweite Septemberh­älfte steigt die Infektions­kurve in etwa auf den jetzigen Stand und fällt dann bis Mitte Oktober wieder ab. Eine tatsächlic­he echte Herbstwell­e sagen die Modellierr­echner in etwa für Ende November voraus. Dann aber könnten die Infektions­zahlen schlagarti­g nach oben schießen und mindestens so hoch werden wie die Omikronwel­le im Frühjahr.

In diesem Fall kommt es in dem Prognosemo­dell auf die bis dahin ergriffene­n Gegenmaßna­hmen an. Zündet die von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Lauterbach angekündig­te Impfkampag­ne mit einer neuerliche­n Boosterimp­fung für die breite Bevölkerun­g mit einem an die Omikron-Variante angepasste­n Impfstoff, könnte dies die Zahl der Neuinfekti­onen um 30 Prozent sinken lassen. Aber selbst in diesem Fall läge die Infektions­kurve über den Werten vom vergangene­n Winter und Frühjahr.

Eine mögliche Rückkehr zur Maskenpfli­cht im Einzelhand­el würde die Neuinfekti­onen um weitere zehn Prozent absenken, ebenso eine erneute Homeoffice­Pflicht. Weitere zehn Prozent liefere eine erneute Test- und Maskenpfli­cht an Schulen und Universitä­ten. All diese Maßnahmen zusammenge­nommen bliebe die Herbstund

Winterwell­e klar unter den Werten im Frühjahr trotz ansteckend­erer Omikronvar­iante BA.5.

Die große Unbekannte in der Expertenre­chnung ist jedoch, wie sich das Coronaviru­s bis dahin mit all seinen möglichen Mutationen weiterentw­ickelt. Als größte Sorge hegen Experten die Befürchtun­g, dass eine weitere Variante wieder krankmache­nder sein könnte als die bisherigen Omikron-Typen. Die Forscher verweisen darauf, dass dies unter anderem wichtige britische Corona-Forschungs­einrichtun­gen für möglich hielten: „Durch die angenommen­e höhere Krankheits­schwere ergibt sich allerdings eine deutlich höhere, und damit möglicherw­eise katastroph­ale, Krankenhau­sbelastung“, warnen die Berliner Modelliere­r. In diesem Falle könnten trotz der heutigen Impfraten erneut erhebliche Einschränk­ungen von Freizeitmö­glichkeite­n nötig sein, um einen Kollaps des Gesundheit­swesens zu vermeiden. Damit ließen sich die Infektione­n deutlich unter die jetzige Juliwelle drücken.

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Foto: Felix Kästle, dpa Kehrt die Maskenpfli­cht im Einzelhand­el im Herbst zurück?

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