Mindelheimer Zeitung

„Bei Nüßlein ist der Kompass vollständi­g verrutscht“

Der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich geht hart mit seinem früheren Parteifreu­nd ins Gericht und fordert als Konsequenz aus der Maskenaffä­re schärfere Regeln für private Geschäfte von Parlamenta­riern.

- Interview:

Herr Ullrich, was haben Sie gedacht, als Sie erfahren haben, dass die Maskengesc­häfte Ihres früheren Bundestags­kollegen Georg Nüßlein völlig legal waren? Volker Ullrich: Die Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofes ist zu respektier­en. Das Handeln war dennoch grundfalsc­h. Mit der Krise Geld zu verdienen mag nicht strafbar gewesen sein. Es bleibt aber politisch und moralisch verwerflic­h. Zugleich fühle ich mich in meiner Meinung bestärkt, dass der betreffend­e Paragraf 108e des Strafgeset­zbuches, der die Frage der Bestechlic­hkeit von Abgeordnet­en regelt, dringend verschärft werden muss.

Nüßlein kann bis heute nicht verstehen, was verwerflic­h an seiner Provision gewesen sein soll, schließlic­h habe der Staat die Masken ja zu vernünftig­en Preisen bekommen ...

Ullrich: Der Kompass bei Georg Nüßlein ist vollständi­g verrutscht. Seine Einlassung­en empfinde ich als heuchleris­ch. Als Parlamenta­rier soll man selbstvers­tändlich in einer solchen Notsituati­on helfen, aber man darf sich niemals daran persönlich bereichern und daraus ein Geschäftsm­odell machen. Wir werden als Abgeordnet­e gut für unsere Arbeit bezahlt. Herr Nüßlein hat als stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r sogar noch eine Zulage von mehreren tausend Euro pro Monat erhalten. Er musste diese Geschäfte nicht machen, um über die Runden zu kommen.

Sowohl Nüßlein als auch der Landtagsab­geordnete Alfred Sauter, der ebenfalls viel Geld mit der Anbahnung von Maskengesc­häften verdient hat, betonten von Anfang an, dass sie sich an geltende Gesetze gehalten haben. Sie fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Verstehen Sie das? Ullrich: Erstens: Es gibt jenseits der strafrecht­lichen Frage eine Kategorie des politische­n und moralische­n Anstandes. Dagegen haben sowohl Georg Nüßlein als auch Alfred

Sauter verstoßen. Zweitens: Das Gesetz zur Abgeordnet­enbestechl­ichkeit muss verschärft werden. Es kann nicht sein, dass solche Geschäfte nur dann strafbar sind, wenn ein Mandatsträ­ger im Parlament direkt durch Abstimmung­en handelt. Wir müssen die Gesetzeslü­cke schließen. Wenn immer es einen direkten Mandatsbez­ug gibt und daraus Geschäfte entstehen, sollte es künftig von der Vorschrift umfasst sein.

Nüßlein sagt, man könne die Amtsautori­tät eines Abgeordnet­en nicht verbieten. Kann ein einflussre­icher Politiker überhaupt noch als Privatmann Geschäfte machen, ohne dabei auch seinen Namen zu nutzen?

Ullrich: Natürlich kann es Abgrenzung­sprobleme geben. Aber wenn Parlamenta­rier mit Ministerie­n und öffentlich­en Dienststel­len kommunizie­ren, wie es bei Sauter und Nüßlein der Fall war, nutzen sie doch ganz offensicht­lich ihren Status und ihr Netzwerk als Parlamenta­rier. Die direkte monetäre Verwertung von Kontakten, die sich unmittelba­r aus dem Abgeordnet­enmandat ergeben, empfinde ich als problemati­sch.

Kritiker einer Gesetzesve­rschärfung sagen, dass es für Selbststän­dige unattrakti­v würde, für einen Landtag oder den Bundestag zu kandidiere­n, wenn sie dafür ihren Beruf als Unternehme­r oder Anwalt auf Eis legen oder aufgeben müssten. Sie warnen vor

Parlamente­n ohne Praktiker. Teilen Sie diese Befürchtun­g? Ullrich: Das Argument halte ich für vorgeschob­en. Wenn man nur will, ist eine Abgrenzung möglich. Abgesehen davon: Abgeordnet­e werden genau deswegen gut bezahlt, damit sie nicht darauf angewiesen sind, nebenher Geld zu verdienen. Damit sollten auch Interessen­konflikte verhindert werden.

Wird die Union im Bundestag die Verschärfu­ng des Gesetzes forcieren?

Ullrich: Ich werde mich sehr dafür einsetzen.

Zur Person

Michael Stifter

Volker Ullrich ist seit 2013 Bundestags­abgeordnet­er für die CSU. Der 46-Jährige vertritt im Parlament den Wahlkreis Augsburg-Stadt. Der Jurist ist zudem seit 2018 Vorsitzend­er des CSU-Sozialfüge­ls (CSA).

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Foto: Ulrich Wagner Volker Ullrich hält die Maskendeal­s für moralisch verwerflic­h.

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