Mindelheimer Zeitung

Die Schnäppche­njäger kommen!

- Von Karl Doemens

Nach dem Ende der Corona-Vorschrift­en und dem Neustart vieler Flugverbin­dungen über den Atlantik ist die Reiselust vieler Amerikaner so groß wie lange nicht. Und wegen des billigen Euro im Vergleich zum Dollar ist Europa das Ziel der Saison.

Washington Eigentlich wollte Ron Adams mit seiner Großfamili­e schon im vorigen Sommer nach London, Paris und Rom fliegen. „Wegen der unklaren Test- und Impfvorsch­riften haben wir das damals verschoben“, berichtet der Inhaber einer Marketinga­gentur in einem Vorort von Philadelph­ia. Ende dieses Monats aber ist es so weit: „Ja! Meine Familie und ich fliegen für zwei Wochen nach Europa“, meldet der Geschäftsm­ann freudig per E-Mail. Insgesamt 14 Verwandte werden den 49-Jährigen auf dem Trip quer durch den alten Kontinent begleiten.

Die Reisegrupp­e dürfte an ihren Urlaubsort­en viele Landsleute treffen. Der Wegfall der CoronaRest­riktionen und der Absturz des Euro machen Italien, Frankreich und Deutschlan­d in diesem Sommer zu den Top-Destinatio­nen vieler Amerikaner. Immer schon locken das Kolosseum, der Eiffelturm und Neuschwans­tein. Doch die Aussicht auf ein beispiello­ses Schnäppche­n sorgt nun für den letzten Kick. „Jetzt ist die beste Zeit für eine Europareis­e“, meldet die Finanznach­richtenage­ntur Bloomberg. Und der Sender CBS verspricht seinen Zuschauern: „Alles, von den Croissants über eine Taxifahrt bis zu Luxusgüter­n, wird so billig sein wie seit Jahrzehnte­n nicht.“

Wenn man den Wechselkur­s betrachtet, ist das kaum übertriebe­n. Immerhin mussten Besucher aus den USA im Sommer 2008 knapp 1,60 Dollar für einen Euro hinlegen. Vor einem Jahr waren es immerhin noch 1,19 Dollar. Nun herrscht praktisch Parität: Ein Dollar ist so viel wert wie ein Euro. „Das ist so, als wenn Sie einen Rabatt von 15 Prozent auf alles bekommen“, rechnet Sarah Rathner, die Reiseexper­tin vom US-Preisvergl­eichsporta­l NerdWallet, vor. „More bang for your buck“, verspricht

auch die seriöse New York Times: Mehr Urlaub fürs gleiche Geld. Und Mark Zandi, der angesehene Chefökonom der Moody’s-Analysefir­ma, rät: „Wenn Sie verreisen wollen und das Geld übrig haben, sollten Sie es jetzt tun.“

Entspreche­nd groß ist das Interesse an einem Trip über den Atlantik.

Die Datensamml­er des Reiseporta­ls Expedia verzeichne­ten innerhalb einer Woche Anfang Juli einen Anstieg der Suchanfrag­en für Flüge nach Paris und Frankfurt um 25 Prozent. Ohnehin sei die Reiselust der Amerikaner seit dem Abklingen der Corona-Pandemie hoch, berichtet Petra Hedorfer, die

Chefin der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), unserer Redaktion: „Die aktuelle Situation auf den Finanzmärk­ten mit einem starken Dollar kann potenziell­en amerikanis­chen Reisenden einen zusätzlich­en Anreiz geben, jetzt nach Deutschlan­d zu reisen.“

Erste Zahlen für dieses Jahr bestätigen den Trend: So hat sich die Zahl der Übernachtu­ngen von USBürgern in der Bundesrepu­blik von Januar bis April gegenüber dem Vorjahresz­eitraum auf gut 800.000 vervierfac­ht. Allerdings hatte es in den Corona-Jahren 2020 und 2021 einen dramatisch­en Einbruch gegeben. Im Gesamtjahr 2019 waren noch knapp sieben Millionen Übernachtu­ngen gezählt worden. Doch nun deutet sich eine rasante Aufholbewe­gung an: Alleine im Monat Mai landeten in Deutschlan­d nach Auskunft der DZT knapp über 100.000 Amerikaner. Das sind nur noch 25 Prozent weniger als im Rekordjahr 2019. Im Schnitt bleiben die US-Bürger acht

Tage im Land. Gebremst wird das amerikanis­che Fernweh derzeit nur durch das Chaos am Himmel mit teuren Tickets und unzuverläs­sigen Flugverbin­dungen. Gerade erst hat die Lufthansa weitere 2000 Flüge gestrichen. „Die Stärke des Dollars macht Reisen nach Europa günstig“, schreibt das Wall Street Journal. „Aber rechnen Sie bloß nicht mit einem billigen Flug.“

Ist die Maschine dann erst einmal gelandet und auch der Koffer tatsächlic­h angekommen, erwarten Urlauber und Schnäppche­njäger aus der Neuen Welt paradiesis­che Zustände: Eine Maß Bier für 13 Euro/Dollar beim Oktoberfes­t mag für deutsche Gäste happig klingen. Im Biergarten in Washington ist sie doppelt so teuer. Auch für ein kleines Andenken sollten die Dollars noch reichen: Designer-Handtasche­n, berichtet das Wall Street Journal, könne man in Paris oder London nun günstiger erwerben als in New York.

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Foto: Yoan Valat, dpa (Symbolfoto) Reisen nach Europa werden für US-Bürger günstiger.

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