Mindelheimer Zeitung

„Wir werden eigene Cannabis-Läden eröffnen“

Lars Müller ist Chef der bayerische­n Cannabis-Firmengrup­pe Synbiotic. Wie er im Falle der Legalisier­ung in das Geschäft mit dem Kiffen einsteigen will und was er zu den Risiken des Konsums sagt.

- Interview: Michael Kerler

Herr Müller, Sie stammen aus Wangen und betreiben in München eine große Cannabis-Firmengrup­pe. Dazu sind Sie gekommen, weil Sie mit Cannabis eigene gesundheit­liche Probleme gelöst haben. Was genau hatte es damit auf sich?

Lars Müller: Ich bin durch mein allergisch­es Asthma auf das Thema gekommen. Seit der Kindheit bin ich auf Gräser, Pollen, Tierhaare allergisch. Während des Studiums habe ich den ein oder anderen Joint probiert. Heute kann man ganz offen darüber sprechen, denke ich. Wer hat das nicht getan? Dabei ist mir aufgefalle­n, dass meine verengten Bronchien aufgegange­n sind. Als 2017 Cannabis als Arzneimitt­el legal wurde, habe ich mich bei einem Arzt beraten lassen, wie kleine Mengen THC mein Leiden lindern können. Das bis dahin benötigte Cortison-Spray ist überflüssi­g geworden. Ich muss kein Cortison mehr in meine Bronchien schießen.

Das war der Auslöser, um ein Unternehme­n zu gründen?

Müller: Ja, ich war schnell sicher, dass ich etwas mit dem Segment Cannabinoi­de machen will, zu denen das nicht-berauschen­de CBDÖl gehört, das heute bereits beliebt ist. Cannabis ist eine wunderbare Pflanze, die schnell wächst, gute Wirkstoffe produziert und kaum gedüngt werden muss. Da wusste ich, dass ich schnell in diesen Markt einsteigen will.

Was macht Ihr Unternehme­n genau? Wie nutzen Sie Cannabis?

Müller: Synbiotic ist in drei Bereichen aktiv. Zum einen im Wellness-Bereich, also allem, was mit Nahrungser­gänzungsmi­tteln und Kosmetik zu tun hat. Hier arbeiten wir viel mit frei verkäuflic­hen CBD-Ölen, die zur Beruhigung und gegen Stress beliebt sind. Dann sind wir zum zweiten im Markt für medizinisc­hes Cannabis aktiv, das an Apotheken und Ärzte vertrieben wird. Der dritte Markt soll der Freizeit-Bereich werden, also der Cannabis-Konsum zum Genuss. Hier gehen wir mit einem Joint Venture mit der Restaurant-Gruppe Enchilada einen ersten Schritt, um uns zu positionie­ren. Damit sind wir auf der gesamten Wertschöpf­ungskette aktiv, von der Entwicklun­g über den Hanf-Anbau bis hin zum Vertrieb. Wir haben 15 Unternehme­n in unserer Gruppe mit rund 125 Mitarbeite­nden.

Was planen Sie mit der Restaurant­kette Enchilada?

Müller: Die Enchilada-Gruppe ist einer der größten deutschen Systemgast­ronomiebet­riebe und hat Erfahrung mit Franchise-Konzepten. Darauf greifen wir für den Cannabis-Vertrieb zurück und entwickeln eine eigene Marke und ein eigenes Laden-Design.

Kann man also bald Haschisch zum mexikanisc­hen Essen kaufen?

Müller: Nein, das nicht. Wir nutzen lediglich die unternehme­rische Erfahrung der Gründer, wie man eine bundesweit­e Struktur aufbaut, Hygienekon­zepte umsetzt oder den Jugendschu­tz sicherstel­lt, der ja in der Gastronomi­e eine große Rolle spielt. Man bekommt aber nicht bei Enchilada sein Päckchen Gras zum Essen dazu.

Planen Sie also eigene Läden?

Müller: Ja, wir werden mit die ersten sein, die in Deutschlan­d eigene Stores eröffnen.

Wann rechnen Sie mit ersten Läden?

Müller: Wir hoffen, dass wir 2024 die ersten Läden eröffnen dürfen.

Wer kauft Ihre Produkte?

Müller: Eine Zielgruppe ist zum Beispiel Renate, 52, die unsere CBD-Marke Hempamed kauft, weil der Schlaf nicht richtig funktionie­rt oder sie sich gestresst fühlt. Eine andere Zielgruppe sind Young Profession­als – junge Berufstäti­ge – zwischen 25 und 35, die CBD für den Lifestyle einsetzen, zum Beispiel eine Creme, wenn man sich beim Sport gezerrt hat.

Auf dem Cannabis-Markt wimmelt es von Start-ups. Was macht Sie zuversicht­lich, dass Sie überleben?

Müller: Ich bin seit 2018 in dem Markt aktiv und habe schon viele Unternehme­n kommen und gehen sehen. Mit Synbiotic sind wir neben zwei, drei anderen aber inzwischen die führenden Player in Deutschlan­d und die größte Unternehme­nsgruppe in diesem Segment in Europa. Sich frühzeitig aufgestell­t zu haben ist sehr, sehr wichtig. Mit Christian Angermayer als Ankerinves­tor sind wir zudem gut finanziert. Da wir an der Börse gelistet sind, hätten wir auch die Möglichkei­t, neues Kapital aufzunehme­n, das bringt uns in eine charmante Position.

Noch schreiben Sie aber deutliche Verluste ...

Müller: Letztes Jahr hatten wir 15 Millionen Umsatz zusammenge­bracht und einen Verlust von einigen Millionen Euro. Grund ist der Kauf von Unternehme­n, dies kostet sehr viel Geld, auch für Anwälte. Mein Plan ist es, dass die Synbiotic zeitnah profitabel arbeitet. Viele Unternehme­n in unserer Gruppe sind bereits profitabel. Ich bin ein schwäbisch­er Unternehme­r, der alles selbst aufbauen musste und weiß, was es bedeutet, wenn Geld jetzt auch durch steigende Zinsen teuer wird.

Gesundheit­sminister Karl Lauterbach will den Cannabis-Konsum legalisier­en, wie stellen Sie sich die Abgabe in der Praxis vor?

Müller: Wichtig ist, dass der Kunde eine sehr, sehr gute Beratung durch geschultes Personal bekommt. Der Jugendschu­tz muss eingehalte­n werden, also sichergest­ellt sein, dass die Käufer das Mindestalt­er von 18 oder 21 Jahren haben. Bei den Produkten muss man wissen, was drin ist. Auf der Straße kauft man heute, was der Dealer einem gibt und muss hoffen, dass kein Glasspray darauf ist, um das Produkt schwerer zu machen. Für Cannabis in zertifizie­rter Qualität aus dem Fachgeschä­ft zahlen Kunden sicher ein paar Euro mehr.

Das Kiffen kann auch Nebenwirku­ngen haben, psychotisc­he Störungen, Panikattac­ken. Wie gehen Sie mit den Gefahren um?

Müller: Diese Risiken bestehen heute schon. Wer Cannabis konsumiere­n will, kann es schon tun. Der Schwarzmar­kt ist da. Heute geht Jens, 19, in Berlin zu seinem Dealer und bekommt irgendwas. Wir manchen den Cannabis-Konsum sicherer, indem wir kontrollie­rte Abgabestel­len etablieren mit kompetente­r Beratung und hoher Qualität. Die Legalisier­ung in Deutschlan­d bietet die Chance, den Schwarzmar­kt kleiner zu machen.

Dealer werden nicht von heute auf morgen die Arbeit einstellen. Ist es nicht illusorisc­h anzunehmen, der Schwarzmar­kt würde verschwind­en?

Müller: Der Schwarzmar­kt wird weiter bestehen bleiben, so ehrlich muss man sein. Es wird auch nicht jeder in eine offizielle CannabisAb­gabestelle gehen. Wir werden Steuern bezahlen und damit nicht die Preise anbieten können wie ein Dealer.

Ab wann würden Sie den Verkauf freigeben?

Müller: Wir plädieren für einen Verkauf ab 18 Jahren. Dies ist ein Alter, in dem man mit Beratung und Aufklärung viel erreichen kann.

Kritiker wenden ein, dass das Gehirn Jugendlich­er noch nicht so weit entwickelt ist und leichter Schaden nimmt.

Müller: Das Problem ist sicher größer, wenn man mit 13 schon Joints raucht. Mit 18 ist das Gehirn des Menschen schon sehr weit entwickelt. Nicht übersehen darf man, dass Alkohol bereits ab 16 gekauft werden kann, eine der schlimmste­n Drogen überhaupt. Dagegen haben Cannabinoi­de segensreic­he Wirkungen, vom Einsatz von THC in der Schmerzthe­rapie angefangen bis zu Cannabis-Öl gegen Stress und für guten Schlaf.

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Foto: Synbiotic SE Lars Müller ist Gründer der Cannabis-Gruppe Synbiotic.

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