Das gehört verboten!
Pro
Ich gebe zu: Auch ich hatte schon einen Ohrwurm von „Layla“. Aber dann habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was in diesem Lied eigentlich besungen wird. Und daraus folgten Fragen: Wo endet die Kunstfreiheit und wo fängt Sexismus an? Und warum ist dieser Liedtext, der ja einfach nur die „Puffmutter Layla“besingt, eigentlich Sexismus?
Eine Definition von Sexismus ist, dass Frauen auf eine bestimmte Art und Weise auszusehen haben. Eben „jünger, schöner, geiler“, wie es die zwei Männer in dem aktuellen Nummer-eins-Hit in die Welt grölen. Der Quervergleich zum „Donaulied“, in dem eine Vergewaltigung beschönigt wird, ist zwar weit hergeholt. Doch das relativiert keineswegs die Sexualisierung von „Layla“und vieler anderer Songs, die zum Glück nicht mehr so populär sind wie der nun in Würzburg untersagte Malle-Hit.
Statt sich über das Verbot zu mokieren und damit zu argumentieren, dass dann noch ganz andere Lieder verboten werden müssten, sollten wir stolz darauf sein, dass 2022 nicht mehr alle sexistischen Lieder ihren Weg ins Bierzelt finden dürfen.
Denn diese Songs fördern Sexismus in unserer Gesellschaft. Und zwar so unterschwellig, dass viele Menschen das gar nicht richtig bemerken. Doch Sexismus beginnt da, wo Frauen zu Objekten gemacht und auf ihren Körper reduziert werden. Das Lied fördert ein Rollenbild, das in unserer Gesellschaft schon zu lange vorherrscht, und genau an dieser Stelle endet die Kunstfreiheit. Wie unpassend „Layla“ist, zeigt sich, wenn man den Spieß mal umdrehen würde: Wie wäre wohl ein Lied über den zweifachen Familienvater, der den Puff regelmäßig besucht?
Contra
Der BallermannSong „Layla“mag primitiv sein, locker grölbar noch nach drei Maß. Ihn zu verbieten, mag voll dem Zeitgeist entsprechen, ist aber voll daneben. Das gibt der harmlose Text einfach nicht her – anders als beim „Donaulied“, in dem es um eine Vergewaltigung geht. Und deshalb ist das Verbot der Stadt ein Angriff auf die Meinungsfreiheit.
Wer heute „Layla“verbietet, streicht morgen ungehemmt das ironische „Skandal im Sperrbezirk“. Darf Sting dann noch sein berühmtes „Roxanne“singen? Wie in „Layla“geht es in beiden Liedern um Prostituierte. Aber niemand, der das mitsingt, fördert deshalb insgeheim das Rotlichtmilieu. Wo hört das Verbieten auf? Bei Falcos „Jeanny“? Bei „Frauen wollen immer nur das eine“? Dann ist von „Komm unter meine Decke“und „Ich möcht’ der Knopf an deiner Bluse sein“bis „Im Wagen vor mir“viel sexuell angehauchtes Liedgut in Zensurgefahr.
Niemand muss ins Bierzelt. Aber wer dort hingeht, möchte gemeinsam trinken, feiern, singen – und nicht mit jeder Liedzeile ein Glaubensbekenntnis ablegen müssen. Ein Freigehege für mangelnden Anstand ist das nicht, aber auch keine Zone mit Zwang zum politisch korrekten Bravsein. Im Grundgesetz steht auch nicht, dass Meinungsfreiheit immer nur edel, hilfreich und gut zu sein hat. Manchmal kommt sie enthemmt und unfein daher. So wie die Wirklichkeit.
Das „Layla“-Verbot sollte nicht Schule machen. Sonst sitzen wir bald nur noch grimmig schweigend im Bierzelt – bis einer aufsteht und aus Friedrich Schillers „Don Carlos“zitiert: „Geben Sie Gedankenfreiheit!“