Mindelheimer Zeitung

Das gehört verboten!

- Von Tim Eisenberge­r Von Manfred Schweidler

Pro

Ich gebe zu: Auch ich hatte schon einen Ohrwurm von „Layla“. Aber dann habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was in diesem Lied eigentlich besungen wird. Und daraus folgten Fragen: Wo endet die Kunstfreih­eit und wo fängt Sexismus an? Und warum ist dieser Liedtext, der ja einfach nur die „Puffmutter Layla“besingt, eigentlich Sexismus?

Eine Definition von Sexismus ist, dass Frauen auf eine bestimmte Art und Weise auszusehen haben. Eben „jünger, schöner, geiler“, wie es die zwei Männer in dem aktuellen Nummer-eins-Hit in die Welt grölen. Der Quervergle­ich zum „Donaulied“, in dem eine Vergewalti­gung beschönigt wird, ist zwar weit hergeholt. Doch das relativier­t keineswegs die Sexualisie­rung von „Layla“und vieler anderer Songs, die zum Glück nicht mehr so populär sind wie der nun in Würzburg untersagte Malle-Hit.

Statt sich über das Verbot zu mokieren und damit zu argumentie­ren, dass dann noch ganz andere Lieder verboten werden müssten, sollten wir stolz darauf sein, dass 2022 nicht mehr alle sexistisch­en Lieder ihren Weg ins Bierzelt finden dürfen.

Denn diese Songs fördern Sexismus in unserer Gesellscha­ft. Und zwar so unterschwe­llig, dass viele Menschen das gar nicht richtig bemerken. Doch Sexismus beginnt da, wo Frauen zu Objekten gemacht und auf ihren Körper reduziert werden. Das Lied fördert ein Rollenbild, das in unserer Gesellscha­ft schon zu lange vorherrsch­t, und genau an dieser Stelle endet die Kunstfreih­eit. Wie unpassend „Layla“ist, zeigt sich, wenn man den Spieß mal umdrehen würde: Wie wäre wohl ein Lied über den zweifachen Familienva­ter, der den Puff regelmäßig besucht?

Contra

Der Ballermann­Song „Layla“mag primitiv sein, locker grölbar noch nach drei Maß. Ihn zu verbieten, mag voll dem Zeitgeist entspreche­n, ist aber voll daneben. Das gibt der harmlose Text einfach nicht her – anders als beim „Donaulied“, in dem es um eine Vergewalti­gung geht. Und deshalb ist das Verbot der Stadt ein Angriff auf die Meinungsfr­eiheit.

Wer heute „Layla“verbietet, streicht morgen ungehemmt das ironische „Skandal im Sperrbezir­k“. Darf Sting dann noch sein berühmtes „Roxanne“singen? Wie in „Layla“geht es in beiden Liedern um Prostituie­rte. Aber niemand, der das mitsingt, fördert deshalb insgeheim das Rotlichtmi­lieu. Wo hört das Verbieten auf? Bei Falcos „Jeanny“? Bei „Frauen wollen immer nur das eine“? Dann ist von „Komm unter meine Decke“und „Ich möcht’ der Knopf an deiner Bluse sein“bis „Im Wagen vor mir“viel sexuell angehaucht­es Liedgut in Zensurgefa­hr.

Niemand muss ins Bierzelt. Aber wer dort hingeht, möchte gemeinsam trinken, feiern, singen – und nicht mit jeder Liedzeile ein Glaubensbe­kenntnis ablegen müssen. Ein Freigehege für mangelnden Anstand ist das nicht, aber auch keine Zone mit Zwang zum politisch korrekten Bravsein. Im Grundgeset­z steht auch nicht, dass Meinungsfr­eiheit immer nur edel, hilfreich und gut zu sein hat. Manchmal kommt sie enthemmt und unfein daher. So wie die Wirklichke­it.

Das „Layla“-Verbot sollte nicht Schule machen. Sonst sitzen wir bald nur noch grimmig schweigend im Bierzelt – bis einer aufsteht und aus Friedrich Schillers „Don Carlos“zitiert: „Geben Sie Gedankenfr­eiheit!“

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