Zwei Minuten Duschen im Takt
Der Umgang mit Wasser ist ein Kontinente übergreifendes Thema. Für das Stück „Der Ruf des Wassers“kooperiert das Staatstheater mit dem südafrikanischen Puppenspiel-Kollektiv Ukwanda. So verlief die Premiere.
Es ist ein Szenario, das einem in Tagen der Gasknappheit und ministeriellen Ratschläge sehr bekannt vorkommt: Der „Day Zero“drohte den Bewohnern von Kapstadt im Jahr 2018, als nach mehreren Jahren Dürre die Gefahr bestand, dass es kein frisches Trinkwasser mehr geben würde. Deshalb ergriff die Regierung Maßnahmen: Jeder Bürger der Stadt durfte ab sofort nur noch 50 Liter am Tag verbrauchen. Zum Vergleich: Die rauschen durch, wenn man sechsmal die Toilette spült. Und Duschen war nur noch zwei Minuten lang erlaubt. Daran erinnerten die sogenannten „ShowerSongs“, Lieder, die extra auf diese Dauer gekürzt oder komponiert wurden, um dazu zu duschen. Der Regen beendete dann die Dürre in Kapstadt, aber Fakt bleibt: Das Wasser ist am Kap ein seltenes Gut, mit dem man achtsam umgehen muss. Nur am Kap? Mitnichten, wie das Staatstheater Augsburg mit seiner interkontinentalen Stückentwicklung „Der Ruf des Wassers“in der Brechtbühne ins Bewusstsein ruft.
Die Inszenierung von Dorothea Schroeder hat eine lange Entstehungsgeschichte. Vor vier Jahren gab Andreas Hillger, Autor des Fuggermusicals „Herz aus Gold“und gerade zurückgekehrt aus dem trockenen Kapstadt nach Augsburg, wo zu dieser Zeit die Bewerbung zum Unesco-Weltkulturerbe für die einzigartige Wasserwirtschaft lief, den Anstoß. Hier Wasser in Hülle und Fülle, dort die große Trockenheit. Dieser Gegensatz inspirierte Hillger zu einem Stückentwurf, der in der Produktion weiterentwickelt wurde und auch persönlichen Erfahrungen und Gedanken der Schauspieler Raum gab. Das Besondere: Das Staatstheater kooperierte für diese Produktion, die mit Geldern der Bundeskulturstiftung unterstützt wurde, mit dem südafrikanischen Puppenspiel-Kollektiv Ukwanda. Eine Spielerin und zwei Spieler aus Südafrika (Siphokazi Mpofu, Sipho Ngxola und Luyanda Ngodlwana) und ihre Puppen stehen nun mit zwei Darstellerinnen und einem Darsteller des Staatstheaters (Karoline Stegemann, Franziska Rattay und Thomas Prazak) auf der Brechtbühne.
Sie erzählen in einem manchmal etwas verwirrenden Sprachenmix aus Deutsch, Englisch und dem afrikanischen Xhosa ( mit ungewöhnlichem Schnalzlaut) das Märchen „Krabbe und Storch“, das von der Suche nach Wasser handelt. Die beiden Welten werden so dramaturgisch miteinander verwoben – und das macht deutlich: Wasser und die Probleme damit, das ist ja längst nicht nur ein Thema der Erdregionen, die schon lange mit der Dürre leben müssen. Krabbe ist die Herrin einer Quelle in Afrika, die versiegt ist; Storch war einst Wassermeister in Augsburg und wurde von der Göttin Singold in einen Vogel verwandelt, weil er den Menschen, die ihn reicher bedachten, mehr Wasser zukommen ließ als anderen. Raffiniert kommen hier die UkwandaFiguren in unterschiedlichen Größen zum Einsatz und faszinieren durch ihre Ausdruckskraft, die allein aus den Bewegungen kommt.
Zum Schluss landen Krabbe und Storch in Augsburg am Augustusbrunnen bei Lech, Wertach und Singold. Stegemann, Rattay und Prazak werfen sich dafür in eine köstliche Kostümierung, die sie aus den von der Decke hängenden Papierbahnen zusammengeknüllt haben. Dazu plätschert aus durchlöcherten Kochtöpfen das Wasser in einen Zinkbottich (Musik Fabian Löbhard).
Die poetisch und sehr sinnlich erzählte Geschichte kombiniert die Inszenierung mit Fakten über Wasser und den sorglosen Umgang damit und bereichert sie um eine dokumentarische Ebene, die oft performativ umgesetzt wird. Körperwäsche im Takt zum zweiminütigen „Shower-Song“ist nicht nur der Kürze der Zeit wegen eine flotte Sache. Allerdings hebt die Aufführung auch ziemlich unverhohlen den Zeigefinger und verfällt zuweilen in den Greta-Thunberg-Modus des „How dare you?!“bis hin zu einem Manifest, das am Ende auf die Rückwand der Bühne projiziert wird und das Publikum zum achtsamen Umgang mit dem Lebensmittel Wasser ermahnt. Dabei war eigentlich das Schlussbild schon eindrücklich genug: die Krabbe im Riesenformat, aus deren Maul eine blaue Stoffbahn fließt: „Hier, nehmt das Wasser. Es ist noch genug für alle da. Noch ist es nicht zu spät. Verteilt es, verteilt es gerecht. Seid weise und nutzt die Zeit, die euch noch bleibt.“
„Der Ruf des Wassers“wieder am 14., 15. und 16. Juli; Karten beim Besucherservice des Theaters Augsburg