Mindelheimer Zeitung

Das Ende der Bohlen-Show war längst überfällig

- Von Daniel Wirsching

Mehr als einen Tag hatte man sich bei RTL ausgeschwi­egen, hatte herbe und berechtigt­e Kritik am durchgesic­kerten Bohlen-Comeback über sich ergehen lassen, hatte in Kauf genommen, dass Schlagerst­ar Florian Silbereise­n und die eigene Geschäftsf­ührung beschädigt werden – um sich dann mit einem Knall von seiner langjährig­en Erfolgssho­w „Deutschlan­d sucht den Superstar“(DSDS) zu verabschie­den. Einmal noch Bohlen! Ein Ende mit Schrecken? Zumindest eines mit Wumms.

Doch wenn man ehrlich ist: Die Zeiten für Formate wie DSDS werden schwierige­r und speziell die Zeit für DSDS war längst vorbei – ein „Refresh“, eine Auffrischu­ng, musste scheitern. Mit dem netten Florian „Flori“Silbereise­n wollte RTL Abstand nehmen von seinen Skandal-Juroren Michael Wendler oder Xavier Naidoo, die sich in Verschwöru­ngsmythen verloren. Und nicht zuletzt von Dieter Bohlen, der die Show zu seiner Bühne ausgebaut hatte und über dessen Sprüche viele Zuschaueri­nnen, Zuschauer und Teilnehmen­de nicht mehr lachen konnten.

Auch bei RTL, das familienfr­eundlicher werden will, fand man die Bohlen-Egoshow nicht mehr lustig. Schließlic­h war die Sorge berechtigt, dass Pöbel-Bohlen das Image des Senders weiter beschädige­n und damit eine ambitionie­rte Strategie zunichte machen würde: RTL will kuschelige­r und seriöser werden.

Ironie der Geschichte: Offenkundi­g lebte DSDS derart von Bohlens Ausfällen, dass ein Teil des Publikums genau das von der Castingsho­w erwartete – peinliche Kandidatin­nen und Kandidaten sowie einen Chefjuror, der sie dem Spott einer schadenfro­hen Öffentlich­keit aussetzt. Um die Suche nach einem „Superstar“ging es ja nie (eher um jemanden, mit dem sich eine Zeit lang Quote machen und der sich gut vermarkten lässt).

Diese über Jahre aufgebaute Seh-Erwartung ist ein Grund dafür, dass eine menschenfr­eundlicher­e Version von DSDS erfolglos blieb. In anderen Sendern und anderen Shows funktionie­rt es, DSDS war nicht zu retten. Zumal in Zeiten, in denen es keinen Dieter Bohlen braucht, um ein Star zu werden. Das erledigen TikTok und Co wesentlich einfacher.

Und so ist es wie bei „Wetten, dass ..?“, das ebenfalls über seinen Zenit hinaus auf Sendung war. Wer wollte noch Wett-Videos mit kleinen Aktionen und Stars sehen, wenn das Internet voll davon ist? Das endgültige Aus muss für DSDS gleichwohl nicht gekommen sein. Wer weiß, in einer der nächsten Retro-Wellen im deutschen Fernsehen wird die Show wohl wieder über uns schwappen – wie „Wetten, dass ..?“. Ob ein 80-jähriger Bohlen dann noch als Rüpel wahrgenomm­en wird?

Newspapers in German

Newspapers from Germany