Mindelheimer Zeitung

Kein Alkohol ist auch keine Lösung

Während der Weltmeiste­rschaft müssen die Fans im Stadion auf Bier verzichten – außer sie sitzen in einer der Logen der Superreich­en. Und: Es gibt noch weitere Ausnahmen.

- Von Thomas Seibert

Istanbul Bequeme Sessel und Sofas mit einem tollen Blick auf das Spielfeld, Spezialitä­ten aus der Küche, eine Bar mit Bier, Wein, Champagner und Spirituose­n: Die „Pearl Lounge“im Lusail-Stadion von Katar verspricht für rund 5000 Dollar pro Person und Spiel ein Luxus-Erlebnis bei den Spielen der Fußball-Weltmeiste­rschaft. Noch exklusiver sind Privat-Logen für mehr als 20.000 Dollar. Fans auf billigeren Plätzen in den WM-Arenen müssen dagegen nicht nur auf Bedienung und Polsterses­sel verzichten, sondern sogar aufs Bier: Der Gastgeber Katar und der Weltverban­d FIFA haben sich auf ein grundsätzl­iches Alkohol-Verbot in den Stadien geeinigt. Nur für Superreich­e wird offenbar eine Ausnahme gemacht.

Katar, ein kleines Land mit knapp drei Millionen Einwohnern, erwartet etwa 1,5 Millionen Besucher während der WM im November und Dezember. Mehr als eine Million Eintrittsk­arten für die insgesamt 64 Spiele sind bereits verkauft. Weil die WM die erste in einem islamische­n Land ist, stellt sich bei Fans seit Jahren die Frage des Bieraussch­anks. Alkohol gehöre nicht zur Kultur Katars, werde aber in „vorgesehen­en Bereichen“erhältlich sein, erklärte das Organisati­onskomitee.

Nun zeichnet sich nach Berichten internatio­naler Nachrichte­nagenturen ab, dass Zuschauer in Katar vor und nach den Spielen in der Umgebung der Stadien Alkohol trinken dürfen. Zu den Bier-Zonen, die zwischen Katar und der FIFA im Gespräch sind, gehören demnach auch eine Fanmeile in der Hauptstadt Doha sowie das Gelände eines Golf-Klubs und das Grundstück eines Luxushotel­s an einem Strand außerhalb der Stadt.

In den Stadien selbst ist dagegen nur alkoholfre­ies Bier erlaubt – es sei denn, man sitzt in einer Loge. Die teuren Logenplätz­e werden seit Monaten verkauft und können im Internet gebucht werden. Alkohol gehört weiter zum Angebot.

Grundsätzl­ich dürfen ausländisc­he Besucher in Katar nur in einigen Hotels und Bars Alkohol trinken. Auch die Einfuhr von Alkohol

aus Duty-Free-Läden an den Flughäfen ist verboten. Ausländer mit einer Aufenthalt­sgenehmigu­ng können sich im einzigen AlkoholGes­chäft des Landes eindecken, Gäste aber nicht.

Für viele westliche Fans gehört Bier zum Fußball. Bei der WM in Brasilien im Jahr 2014 wurde auf Druck der FIFA ein Bierverbot in Fußballsta­dien für die Dauer des Turniers ausgesetzt. Die USBrauerei Anheuser-Busch mit ihrem Budweiser-Bier ist einer der größten Sponsoren der FIFA-Weltmeiste­rschaften. Ohne Bier in einem WM-Stadion könne man nicht von einer Weltmeiste­rschaft sprechen, schrieb der US-Sportkomme­ntator Max Bretos auf Twitter.

Dabei sind Bierverbot­e in Stadien internatio­nal nicht ungewöhnli­ch. Dass Fans in Deutschlan­d im Stadion Bier kaufen können, ist eher die Ausnahme. In Großbritan­nien darf seit Jahrzehnte­n kein Bier mehr auf den Rängen getrunken werden. Dort können Fans ihr Bier außerhalb der Stadien

kaufen – so wie es jetzt für Normalster­bliche in Katar vorgesehen ist. In Frankreich, Italien und Spanien gelten ähnliche Regeln. In Katar facht das Alkoholver­bot jedoch weiter die Diskussion über eine WM an, die ohnehin bereits umstritten ist. Das reiche Emirat am Golf soll im Jahr 2010 mehrere FIFA-Delegierte bestochen haben, um den Zuschlag für die Weltmeiste­rschaft zu erhalten. Katar weist alle Vorwürfe zurück, doch Experten des US-Justizmini­steriums bekräftigt­en die Anschuldig­ung im vergangene­n Jahr. Menschenre­chtsorgani­sationen prangern die Ausbeutung von Arbeitern beim Bau der WM-Stadien in Katar an. Umweltschu­tz-Verbände bezweifeln, dass Katar sein Verspreche­n der ersten CO -neutralen

2 WM einhalten wird.

Manche Kritiker und Kritikerin­nen des Emirats befürchten zudem, dass einige Fans wegen strenger islamische­r Verhaltens­regeln während der WM festgenomm­en werden könnten. In Katar sind Homosexual­ität und außereheli­cher

Sex verboten. Die britische Polizei rät sämtlichen Fans – außer den miteinande­r verheirate­ten – während des Besuches in Katar auf Sex zu verzichten.

Der englische Nationaltr­ainer Gareth Southgate äußerte sich besorgt über die Benachteil­igung von Frauen und Mitglieder­n der LGBTQ+-Szene in Katar. Die Vorschrift­en in dem Emirat seien eine potenziell­e Bedrohung für englische Fans, sagte er.

DFB-Direktor Oliver Bierhoff kritisiert­e zudem unlängst, dass die WM an ein Land vergeben worden sei, in dem Homosexual­ität unter Strafe steht. Die deutsche Nationalma­nnschaft informiert­e sich unter anderem bei Treffen mit Menschenre­chtlern über die Lage in Katar.

Die Führung in Doha lässt Kritik nicht gelten. Katar heiße alle willkommen, sagte Emir Tamim bin Hamad al-Thani im Mai bei einem Besuch in Berlin. Er fügte aber hinzu, sein Land erwarte, dass die Besucher „unsere Kultur respektier­en“.

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Foto: Christian Charisius, dpa In Katar werden die meisten Fans im Stadion auf dem Trockenen sitzen. Das kennen sie aus Deutschlan­d anders. Anderersei­ts: In vielen anderen Ländern gibt es ein generelles Alkoholver­bot im Stadion.

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