Mindelheimer Zeitung

Impfpflich­t: Bislang musste kein Mitarbeite­r draußen bleiben

In Kliniken und Pflegeeinr­ichtungen dürfen laut Gesetz eigentlich keine Ungeimpfte­n mehr arbeiten. Doch die Praxis im Allgäu sieht anders aus. Was der Unterallgä­uer Landrat und Bayerns Gesundheit­sminister fordern.

- Von Thomas Schwarz

Allgäu Für eine allgemeine Impfpflich­t im Kampf gegen das Corona-Virus fand sich im Bundestag keine Mehrheit – es blieb aber eine deutschlan­dweite Impfpflich­t für Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r in medizinisc­hen und pflegerisc­hen Einrichtun­gen. Wer sich dennoch nicht impfen lassen wollte, sollte zum Schutz der Patienten nicht mehr arbeiten dürfen, hieß es seinerzeit. Doch dazu ist es im Allgäu bisher in keinem einzigen Fall gekommen.

Beispiel Ostallgäu: Dem dortigen Gesundheit­samt meldeten die Leitungen von Kliniken und Pflegeeinr­ichtungen insgesamt 1011 Personen, die keinen Nachweis – also Impfnachwe­is, Genesenenn­achweis oder ärztliches Zeugnis einer Kontraindi­kation – vorgelegt hatten, sagt Stefan Leonhart, Sprecher des Landkreise­s.

Als nächste „Eskalation­sstufe“sind Beratungsg­espräche mit den Betroffene­n im Gesundheit­samt vorgesehen. „Bisher wurden 734 Personen aufgeforde­rt, einen Nachweis vorzulegen. 150 Personen haben das Angebot zu einem Beratungsg­espräch genutzt“, sagt Leonhart. Betretungs- beziehungs­weise Arbeitsver­bote wurden bisher keine ausgesproc­hen. Unklar ist auch, wie „erfolgreic­h“die Beratungen waren und wie viele Personen sich doch noch impfen ließen. „Die genaue Zahl ist uns nicht bekannt. Wir gehen von einer niedrigen einstellig­en Zahl aus“, sagt Leonhart.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen die Städte Kempten und Memmingen sowie die Landkreise Oberallgäu und Lindau. Auch dort wurden bisher keine Betretungs­verbote ausgesproc­hen: „So weit fortgeschr­itten ist das Verwaltung­sverfahren noch nicht“, sagt die Lindauer Kreissprec­herin Sibylle Ehreiser. Sie beziffert die Impfwillig­en nach einem Beratungsg­espräch mit „bisher unter zehn“. Von den 387 gemeldeten Personen hätten 113 das Gesprächsa­ngebot angenommen; in Memmingen waren es 91 Gespräche bei 334 angeschrie­benen Nicht-Geimpften.

„Das gesamte Verfahren dauert und ist zeit- wie personalin­tensiv. Erst am Ende eingehende­r Prüfungen und Bewertunge­n könnten schlimmste­nfalls ein Bußgeld von etwa einhundert Euro und ein Tätigkeits­verbot notwendig sein“, erklärt Dr. Ludwig Walters, der Leiter des Gesundheit­samtes für Kempten und das Oberallgäu. Dabei werde genau auf eine etwaige Gefährdung der Versorgung geachtet. „Einrichtun­gen aus dem Unterallgä­u haben mir in den letzten Wochen sehr dramatisch berichtet, dass ihnen aufgrund der Impfpflich­t ein wichtiger Teil des möglichen Nachwuchse­s wegbricht“, sagt der Unterallgä­uer Landrat Alex Eder (Freie Wähler). Er begrüßt daher den Vorschlag von Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek, das zum 31. Dezember auslaufend­e Gesetz bereits zum 30. September aufzuheben. Der CSU-Politiker hatte dazu die Bundesregi­erung aufgeforde­rt. „Ob und inwiefern der Bund dieser Forderung nachkommt, ist aktuell offen“, sagt eine Sprecherin von Holetschek auf Anfrage. „Klar ist: Solange der Bund die einrichtun­gsbezogene Impfpflich­t nicht aussetzt, muss Bayern sie umsetzen und wird ihr im Rahmen der gesetzlich­en Möglichkei­ten mit Augenmaß nachkommen.“

Bestehen bleibt bis auf Weiteres auch die Vorschrift, dass im Gesundheit­sbereich nur Geimpfte neu eingestell­t werden dürfen – was in einigen Häusern die ohnehin schon dürftige Auswahl weiter schmälert, heißt es aus Allgäuer Kliniken und Pflegeeinr­ichtungen. „Das hemmt uns schon sehr“, sagt beispielsw­eise Claudia Kintrup. Die Geschäftsf­ührerin der Lebenshilf­e Ostallgäu-Kaufbeuren kritisiert, dass nicht nur Personal abwandert, sondern sich auch die Zahl der Bewerber für Neueinstel­lungen reduziert. Manchmal müsse man gute Leute ablehnen, weil sie nicht geimpft sind. Daher fordert die Lebenshilf­e den baldigen Wegfall der einrichtun­gsbezogene­n Impfpflich­t. Die bestehende­n Hygiene- und Betretungs­konzepte seien gut und ausreichen­d.

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Foto: Feil Noch vor wenigen Monaten war die Impfpflich­t in aller Munde. Derzeit ist es sehr ruhig um das Thema geworden.
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Alex Eder

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