Impfpflicht: Bislang musste kein Mitarbeiter draußen bleiben
In Kliniken und Pflegeeinrichtungen dürfen laut Gesetz eigentlich keine Ungeimpften mehr arbeiten. Doch die Praxis im Allgäu sieht anders aus. Was der Unterallgäuer Landrat und Bayerns Gesundheitsminister fordern.
Allgäu Für eine allgemeine Impfpflicht im Kampf gegen das Corona-Virus fand sich im Bundestag keine Mehrheit – es blieb aber eine deutschlandweite Impfpflicht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen. Wer sich dennoch nicht impfen lassen wollte, sollte zum Schutz der Patienten nicht mehr arbeiten dürfen, hieß es seinerzeit. Doch dazu ist es im Allgäu bisher in keinem einzigen Fall gekommen.
Beispiel Ostallgäu: Dem dortigen Gesundheitsamt meldeten die Leitungen von Kliniken und Pflegeeinrichtungen insgesamt 1011 Personen, die keinen Nachweis – also Impfnachweis, Genesenennachweis oder ärztliches Zeugnis einer Kontraindikation – vorgelegt hatten, sagt Stefan Leonhart, Sprecher des Landkreises.
Als nächste „Eskalationsstufe“sind Beratungsgespräche mit den Betroffenen im Gesundheitsamt vorgesehen. „Bisher wurden 734 Personen aufgefordert, einen Nachweis vorzulegen. 150 Personen haben das Angebot zu einem Beratungsgespräch genutzt“, sagt Leonhart. Betretungs- beziehungsweise Arbeitsverbote wurden bisher keine ausgesprochen. Unklar ist auch, wie „erfolgreich“die Beratungen waren und wie viele Personen sich doch noch impfen ließen. „Die genaue Zahl ist uns nicht bekannt. Wir gehen von einer niedrigen einstelligen Zahl aus“, sagt Leonhart.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen die Städte Kempten und Memmingen sowie die Landkreise Oberallgäu und Lindau. Auch dort wurden bisher keine Betretungsverbote ausgesprochen: „So weit fortgeschritten ist das Verwaltungsverfahren noch nicht“, sagt die Lindauer Kreissprecherin Sibylle Ehreiser. Sie beziffert die Impfwilligen nach einem Beratungsgespräch mit „bisher unter zehn“. Von den 387 gemeldeten Personen hätten 113 das Gesprächsangebot angenommen; in Memmingen waren es 91 Gespräche bei 334 angeschriebenen Nicht-Geimpften.
„Das gesamte Verfahren dauert und ist zeit- wie personalintensiv. Erst am Ende eingehender Prüfungen und Bewertungen könnten schlimmstenfalls ein Bußgeld von etwa einhundert Euro und ein Tätigkeitsverbot notwendig sein“, erklärt Dr. Ludwig Walters, der Leiter des Gesundheitsamtes für Kempten und das Oberallgäu. Dabei werde genau auf eine etwaige Gefährdung der Versorgung geachtet. „Einrichtungen aus dem Unterallgäu haben mir in den letzten Wochen sehr dramatisch berichtet, dass ihnen aufgrund der Impfpflicht ein wichtiger Teil des möglichen Nachwuchses wegbricht“, sagt der Unterallgäuer Landrat Alex Eder (Freie Wähler). Er begrüßt daher den Vorschlag von Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, das zum 31. Dezember auslaufende Gesetz bereits zum 30. September aufzuheben. Der CSU-Politiker hatte dazu die Bundesregierung aufgefordert. „Ob und inwiefern der Bund dieser Forderung nachkommt, ist aktuell offen“, sagt eine Sprecherin von Holetschek auf Anfrage. „Klar ist: Solange der Bund die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht aussetzt, muss Bayern sie umsetzen und wird ihr im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten mit Augenmaß nachkommen.“
Bestehen bleibt bis auf Weiteres auch die Vorschrift, dass im Gesundheitsbereich nur Geimpfte neu eingestellt werden dürfen – was in einigen Häusern die ohnehin schon dürftige Auswahl weiter schmälert, heißt es aus Allgäuer Kliniken und Pflegeeinrichtungen. „Das hemmt uns schon sehr“, sagt beispielsweise Claudia Kintrup. Die Geschäftsführerin der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren kritisiert, dass nicht nur Personal abwandert, sondern sich auch die Zahl der Bewerber für Neueinstellungen reduziert. Manchmal müsse man gute Leute ablehnen, weil sie nicht geimpft sind. Daher fordert die Lebenshilfe den baldigen Wegfall der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Die bestehenden Hygiene- und Betretungskonzepte seien gut und ausreichend.