Koalition ringt um weitere Entlastungen
Die SPD prescht vor: 49-Euro-Ticket und keine Strom- und Gassperren im Winter.
Berlin Gegen die Energiekrise will die Ampel-Koalition neue Milliarden bewegen. Mit der Schlagzahl an Vorschlägen für das dritte Entlastungspaket hält nur die Menge an Beschimpfungen mit, die sich die Partner gegenseitig an den Kopf werfen. Die am Dienstag beginnende Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin gerät zur Gruppentherapie.
Die SPD ist in die Offensive gegangen und hat ihre Forderungen für weitere Hilfen und Zuschüsse zusammengetragen. Darunter findet sich neben einer dauerhaften Erhöhung der Grundsicherung und einer teilweisen Deckelung der Gaspreise auch eine neuerliche Energiepauschale, deren Höhe noch nicht beziffert ist. Sie orientiert sich an den 300 Euro, die Beschäftigte und Selbstständige mit dem September-Gehalt erhalten. Außerdem schlagen die Sozialdemokraten vor, das Neun-Euro-Ticket in Form eines 49-Euro-Tickets fortzuführen und Mieter diesen Winter vor Strom- und Gassperren zu schützen. „Wir übernehmen als größte Regierungsfraktion Verantwortung fürs Ganze. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir Ende der Woche sehr viel weiter sind“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, Katja Mast.
Den gleichen Zeitrahmen gab Grünen-Chefin Ricarda Lang vor. Ab Oktober greift die umstrittene Gas-Umlage und zu diesem Zeitpunkt sollen neuerliche Zuschüsse zumindest beschlossen sein. Bei den Grünen kursieren ähnliche Überlegungen wie bei der SPD. Das Neun-Euro-Ticket soll dort von Monatskarten für 29 Euro für den Regionalverkehr und für 49 Euro für bundesweites Reisen abgelöst werden. Der Fokus der staatlichen Unterstützung soll dieses Mal auf Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen gelegt werden, wie Fraktionsvize Andreas Audretsch betonte. „Am besten erreicht man diese Menschen mit Direktzahlungen. Darum müssen das Kindergeld und die Regelsätze für die Grundsicherung deutlich steigen“, sagte er unserer Redaktion. Die Grünen sind auch der Koalitionspartner, der am lautesten für eine Übergewinnsteuer plädiert, um von den enormen Profiten der Energiekonzerne einen Teil für den Staat zurückzuholen. „Es ist nicht vermittelbar, dass Menschen Einschnitte erleben, während einige Konzerne Milliarden Euro Krisengewinne abschöpfen“, meinte Audretsch.
Die FDP mit ihrem Chef und Finanzminister Christian Lindner lehnt höhere Steuern dagegen ab und will stattdessen die verdeckten Steuererhöhungen der kalten Progression abbauen und die Schuldenbremse einhalten. Die Liberalen halten sich deshalb beim Reigen an Entlastungsvorschlägen zurück. Im Finanzministerium ist man optimistisch, ein drittes Entlastungspaket ohne neue Schulden schultern zu können. Noch laufen die Steuereinnahmen sehr gut, und in den vergangenen Jahren war es stets so, dass dem Fiskus im zweiten Halbjahr mehr Geld zufloss als in den ersten sechs Monaten.
Neben der Opposition innerhalb der Regierung gibt es auch noch die richtige Opposition. Für die ist der Ampel-Krach eine willkommene Gelegenheit. „Mir ist schleierhaft, wie eine solche Koalition Deutschland durch diese Zeiten führen möchte, wenn die Partner derart uneins sind und der Kanzler ganz offensichtlich jegliche Entscheidung scheut wie der Teufel das Weihwasser“, sagte die stellvertretende CSU-Vorsitzende Dorothee Bär unserer Redaktion. Die diskutierten Hilfen reichten nicht aus, vor allem nicht für Familien.
„Ende der Woche sind wir sehr viel weiter.“
Katja Mast, SPD