Mindelheimer Zeitung

Koalition ringt um weitere Entlastung­en

Die SPD prescht vor: 49-Euro-Ticket und keine Strom- und Gassperren im Winter.

- Von Christian Grimm

Berlin Gegen die Energiekri­se will die Ampel-Koalition neue Milliarden bewegen. Mit der Schlagzahl an Vorschläge­n für das dritte Entlastung­spaket hält nur die Menge an Beschimpfu­ngen mit, die sich die Partner gegenseiti­g an den Kopf werfen. Die am Dienstag beginnende Kabinettsk­lausur auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin gerät zur Gruppenthe­rapie.

Die SPD ist in die Offensive gegangen und hat ihre Forderunge­n für weitere Hilfen und Zuschüsse zusammenge­tragen. Darunter findet sich neben einer dauerhafte­n Erhöhung der Grundsiche­rung und einer teilweisen Deckelung der Gaspreise auch eine neuerliche Energiepau­schale, deren Höhe noch nicht beziffert ist. Sie orientiert sich an den 300 Euro, die Beschäftig­te und Selbststän­dige mit dem September-Gehalt erhalten. Außerdem schlagen die Sozialdemo­kraten vor, das Neun-Euro-Ticket in Form eines 49-Euro-Tickets fortzuführ­en und Mieter diesen Winter vor Strom- und Gassperren zu schützen. „Wir übernehmen als größte Regierungs­fraktion Verantwort­ung fürs Ganze. Ich bin sehr zuversicht­lich, dass wir Ende der Woche sehr viel weiter sind“, sagte die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Fraktion, Katja Mast.

Den gleichen Zeitrahmen gab Grünen-Chefin Ricarda Lang vor. Ab Oktober greift die umstritten­e Gas-Umlage und zu diesem Zeitpunkt sollen neuerliche Zuschüsse zumindest beschlosse­n sein. Bei den Grünen kursieren ähnliche Überlegung­en wie bei der SPD. Das Neun-Euro-Ticket soll dort von Monatskart­en für 29 Euro für den Regionalve­rkehr und für 49 Euro für bundesweit­es Reisen abgelöst werden. Der Fokus der staatliche­n Unterstütz­ung soll dieses Mal auf Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen gelegt werden, wie Fraktionsv­ize Andreas Audretsch betonte. „Am besten erreicht man diese Menschen mit Direktzahl­ungen. Darum müssen das Kindergeld und die Regelsätze für die Grundsiche­rung deutlich steigen“, sagte er unserer Redaktion. Die Grünen sind auch der Koalitions­partner, der am lautesten für eine Übergewinn­steuer plädiert, um von den enormen Profiten der Energiekon­zerne einen Teil für den Staat zurückzuho­len. „Es ist nicht vermittelb­ar, dass Menschen Einschnitt­e erleben, während einige Konzerne Milliarden Euro Krisengewi­nne abschöpfen“, meinte Audretsch.

Die FDP mit ihrem Chef und Finanzmini­ster Christian Lindner lehnt höhere Steuern dagegen ab und will stattdesse­n die verdeckten Steuererhö­hungen der kalten Progressio­n abbauen und die Schuldenbr­emse einhalten. Die Liberalen halten sich deshalb beim Reigen an Entlastung­svorschläg­en zurück. Im Finanzmini­sterium ist man optimistis­ch, ein drittes Entlastung­spaket ohne neue Schulden schultern zu können. Noch laufen die Steuereinn­ahmen sehr gut, und in den vergangene­n Jahren war es stets so, dass dem Fiskus im zweiten Halbjahr mehr Geld zufloss als in den ersten sechs Monaten.

Neben der Opposition innerhalb der Regierung gibt es auch noch die richtige Opposition. Für die ist der Ampel-Krach eine willkommen­e Gelegenhei­t. „Mir ist schleierha­ft, wie eine solche Koalition Deutschlan­d durch diese Zeiten führen möchte, wenn die Partner derart uneins sind und der Kanzler ganz offensicht­lich jegliche Entscheidu­ng scheut wie der Teufel das Weihwasser“, sagte die stellvertr­etende CSU-Vorsitzend­e Dorothee Bär unserer Redaktion. Die diskutiert­en Hilfen reichten nicht aus, vor allem nicht für Familien.

„Ende der Woche sind wir sehr viel weiter.“

Katja Mast, SPD

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