Mittags mit „Mahlzeit!“grüßen?
Es ist nur ein Gerücht, dass die Bewohner des Nordpols ganze 400 Wörter für Schnee kennen. Olles Märchen. Franzosen wissen in ihrer Sprache auch nur eine Handvoll Begriffe für die Liebe. Aber hat schon jemand erforscht, wie viele Grußformeln die Begegnungskultur hier in Deutschland kennt? Von regional („Servus!“, „Adele!“) bis international („Ciao!“, „Salut!“), spirituell („Grüß Gott!“) bis unkonventionell („Tschüsseldorf!“, „Tschaudi Arabien!“). Und dann gibt es die nüchternen unter den Grüßaugusts. Ihnen geht es beim Hallo um die Sache, um Pragmatik. Der Gruß, den sie täglich pflegen, folgt dem Motto des großen Journalisten Rudolf Augstein: „Sagen, was ist.“Nein, sagen, dass jemand isst. „Mahlzeit!“Dieser Gruß krempelt die Ärmel hoch, da darf sich sogar der Chef der Firma wie ein Bergbaukumpel unter Gleichen fühlen, wenn er im Flur zur Betriebskantine „Mahlzeit!“ruft – ein vielfaches „Mahlzeit!“hallt mit Garantie zurück. Dabei erwartet auch niemand ein förmliches Grußanhängsel, kein „Mahlzeit, sehr geehrter Herr Kommerzienrat Huber“, während das Gegenüber einem in die Suppe auf dem Tablett linst. Also: kein Risiko, keine Hierarchie, keine langen Reden, nur „Mahlzeit!“. Und in diesem Gruß schwingt auch eine Verheißung mit: Jetzt legen wir Hammer oder Stift beiseite, jetzt ist Zeit für ein Grundbedürfnis. Schon der kluge Gerhard Polt philosophierte: „Zeit plus Zeit ist mehr Zeit. Brot plus Zeit ist Brotzeit. Zeit mal Zeit ist Mahlzeit.“
Es lebe die Vielfalt: Wenn schon Margot und Maria Hellwig im Ton zweier wohlgestimmter Alpenposaunen gleich dreimal grüßend ihr Lied jodeln durften, „Servus, Grüezi und Hallo!“– na dann ist doch ein kurz gegrunztes „Mahlzeit!“erlaubt.