Ulrich Tesmer wäre 1984 fast mit dem Starfighter abgestürzt
Ulrich Tesmer stieg vor 40 Jahren aus dem Starfighter wenige Meter über dem Boden vom Fliegerhorst Memmingerberg aus. Diese Erinnerungen beschäftigen ihn.
Jedes Jahr am 24. Januar feiert er sozusagen seinen „zweiten Geburtstag“: Ulrich Tesmer. Der gebürtige Lüdenscheider stieg am 24. Januar 1984 über dem ehemaligen Fliegerhorst Memmingerberg aus einem Starfighter aus – kurz über dem Boden. Wie es dazu kam, welche Gedanken dem damaligen Hauptmann durch den Kopf schossen, erzählt Ulrich Tesmer 40 Jahre später unserer Redaktion.
Ulrich Tesmer ist im Jahr 1977 bei der Bundeswehr als Offiziersanwärter eingetreten, absolvierte die fliegerische Ausbildung in Fürstenfeldbruck sowie in den USA. Von dort aus ging es 1981 nach Memmingerberg. An den 24. Januar 1984 wird sich der heute 66-jährige Vater zweier Söhne, der in Siegsdorf (Oberbayern) lebt, jedes Jahr aufs Neue erinnern. Was geschah?
„Wir brauchten noch Taglandungen“, so Tesmer. „Take off“in Memmingerberg. Orkanböen. Ein geplanter Tiefflug musste wegen des Wetters vorzeitig abgebrochen werden. Zum Nachmittag schwächte sich der Wind durch sinkende Temperaturen ab. „Wir flogen also in die ,Temporary Reserved Area’, den reservierten Luftraum für Kunstflug- und Luftkampf-Manöver, ein“, berichtet Tesmer.
Spricht er von „Wir“, dann meint er damit sich selbst und einen weiteren Piloten, der den Spitznamen „Iska“trug. „Nach einigen abwechselnd geflogenen Übungen machten wir uns an die geplanten Landeübungen. Es folgten zwei ,Touch and Go’. Dabei wird gelandet und durchgestartet.“
Tesmer weiter: „Bei der dritten Landung haben wir die Sinkrate gespürt – durch eine abrupte Windänderung. 20 Konten, also umgerechnet etwa 36 Stundenkilometer, haben plötzlich gefehlt.“Die ersten Gedanken: „Was ist jetzt los?“
Die Nase des Flugzeugs nach oben zu richten, half nicht. Kurz vor der Startbahn kam es zum Bodenkontakt. Tesmer erzählt weiter: „Die Maschine sprang noch mal nach oben. Zu dem Zeitpunkt war sie schon unkontrollierbar.“Tesmer saß vorne, „Iska“hinter ihm. Iska sei der verantwortliche Flugzeugführer gewesen und habe mit dem Wort „Raus“den Befehl für den Rettungsausstieg gegeben. Beide Piloten zogen die Abzugsgriffe vom Schleudersitz. Das war auf einer Höhe von etwa 15 Metern.
Viel Zeit sei da nicht vergangen. „Es kam mir aber vor wie Minuten, aber letztendlich hing ich am Fallschirm“, so der heute 66-Jährige weiter: „Als ich wieder sehen konnte – die Beschleunigung durch den Ausschuss hatte mir kurzzeitig die Sicht genommen – erkannte ich, dass ich auf den S-Draht des Flugplatzzaunes zugetrieben wurde. Dort bin ich aber zum Glück nicht hängen geblieben. Für den oft geübten Drill der Fallschirmlandung blieb keine Zeit und ich schlug hart rückwärts auf.“
Tesmer ergänzt: „Mein Helm hat dabei schwerere Kopfverletzungen verhindert. Das Flugzeug selbst kam nach einer längeren Rutschstrecke außerhalb der Flugplatzumzäunung in der Nähe von Halle 40 zerstört zum Stillstand. Bis auf einen verletzten Knöchel bei ,Iska’ und einem dicken Ellenbogen bei mir haben wir das Ganze heil überstanden.“
Natürlich seien ihm aber damals viele Gedanken durch den Kopf gegangen: „Mein jüngster Sohn war gerade drei Monate alt und ich konnte ihn nicht mit ausgestreckten Armen halten, weil mir der Rücken so weh tat.“
Für Ulrich Tesmer war es der erste und einzige Ausstieg aus einem Kampfflugzeug: „Fünf Tage später saß ich wieder im Cockpit und habe bei der Maschine jedes Geräusch so laut wie vorher noch nie gehört.“
Wenige Starts danach hätte sich die Routine wieder eingestellt. „Es ist Teil der Schulung, auf alles vorbereitet zu sein. Die Notverfahren werden einem sozusagen so eingeimpft, dass man sie auch im Schlaf abspulen könnte.“Als Unfallursache wurde damals das Phänomen „Windscherung“festgestellt.