Leckerbissen mit langer Tradition
An den „tollen Tagen“hat der Faschingskrapfen Konjunktur
Jahrhundertelang galten hierzulande strenge Fastenregeln. So waren Eier und Butter in der Fastenzeit tabu. Da diese Lebensmittel aber nicht sechs Wochen lang gelagert werden konnten, mussten sie vor Aschermittwoch verbraucht werden. Willkommener Nebeneffekt: Die kalorienreiche Kost sorgte noch für eine kleine Kraftreserve, die angesichts der zehrenden 40-tägigen Fastenzeit durchaus notwendig war.
„Im Jahreslauf betrachtet ist die Fastnachtszeit eine Gebäckzeit“, sagt Backwerkshistorikerin Irene Krauß . Besonders im schwäbisch-alemannischen Raum sei die Vielfalt früher fast unüberschaubar gewesen. Berliner, Krapfen, Pfannkuchen und Fasnetsküchle sind Varianten derselben kulinarischen Tradition – und nur ein prominenter Bruchteil dessen, was die regionalen Traditionen und Bräuche so hergeben. „Gemeinsam ist allen Sorten, dass sie in heißem Fett oder ausgelassener Butter gebacken werden.“Fettgebäck war schon in der Antike bekannt und verbreitete sich schnell, da es einfach in Pfannen über der Feuerstelle zubereitet werden konnte. Das erste deutsche Kochbuch, das Würzburger „buch von guter spise“von 1350, nennt bereits das Rezept eines mit „einem gemenge von gewürfelten und gewürzten äpflin“gefüllten Krapfens. „En vogue wurde der Krapfen aber erst in der Barockzeit“, erzählt Krauß. Im Jahr des Wiener Kongresses 1815 verkauften die Wiener Straßenbäckereien während der Faschingszeit etwa zehn Millionen Stück.
Bis in die Neuzeit waren der Kirche die allerorten zischenden Fettpfannen während der „tollen Tage“ein Dorn im Auge. So wetterte Ende des 16. Jahrhunderts ein Pfarrer gegen das „Küchlein backen, Strauben, Nauntzen, und wie sie mehr heißen“als „antichristlicher greul“und „Teuffels dreck“. Der Augustinerprediger Abraham a Sancta Clara schimpfte am Fastnachtssonntag 1676 von der Kanzel: „Heute ist ein Festtag und ein Freßtag.“Was den Hauch des Verruchten trägt, ist freilich nur umso verführerischer – vor allem, wenn Geschmack und Duft der Leckerbissen derart betörend sind, wie im Falle der feinen Faschingskrapfen. So wundert es nicht, dass sich das Gebäck zum echten Publikumsliebling mauserte – und bis heute geblieben ist.
Als Füllung kommt traditionell rote Marmeladen zum Beispiel aus Erdbeeren, Himbeeren oder Hagebutte oder auch Pflaumenmus zum Einsatz. „Vor ein paar Jahren war Punschmarmelade sehr angesagt, und auch Pudding wird gerne mal verwendet“, sagt Irene Krauß. Die hohe Kunst ist, das Verhältnis von Füllung und Teig richtig einzuschätzen: Für einen Krapfen mit knapp zehn Zentimetern Durchmesser werden ein bis eineinhalb Teelöffel Marmelade oder Pudding benötigt. Für die Konditoren und Handwerksbäcker aus der Region ein Klacks, schließlich beherrschen sie die Krapfenherstellung in Perfektion. Und so schwelgt auch das Unterallgäu noch bis Aschermittwoch in Genuss.