Künstlerin mit Kultstatus
Spontan, atemberaubend und mit Schuhfimmel: Die Südkoreanerin Younee spielt zum krönenden Abschluss bei „Jazz isch“in der Sontheimer Dampfsäg.
Die sich Younee nennende, aus Südkorea stammende StarPianistin ist schon vor Jahren über England nach Deutschland übergesiedelt und im Fränkischen nahe Rothenburg ob der Tauber gelandet. Musikalisch ist sie auf den großen Bühnen der Welt zu Hause, in Deutschland zum Beispiel in der Hamburger Elbphilharmonie. Dass sie jetzt auch den Weg in das Unterallgäu – nämlich nach Sontheim – fand, führt sie darauf zurück, dass sie vor sieben Jahren schon einmal in Mindelheim war und dass ihr die Dampfsäg ausgezeichnet gefällt.
Vor mit 280 Besuchern restlos ausverkauftem Haus konzertierte sie an diesem besonderen Abend als krönender Abschluss der diesjährigen 31. Mindelheimer Jazztage. Wie auch in der Einblendung auf der Bühne zu sehen, standen sie unter dem Motto „Jazz isch!“Organisator Peter Schmid stellte die Künstlerin als „musikalisches Phänomen“vor, das „Kultstatus“ besitzt. Ein festes Programm gebe es deshalb nicht, weil das, was sie bringt, „zumeist intuitiv“, spontan und unerwartet geschieht.
Schon ihr Eröffnungsstück, das auf einer Komposition des französischen Impressionisten Claude Debussy (1862-1918) beruht, zeigt ihre meisterhaft perfektionierte Spieltechnik und die Brillanz ihrer kraftvollen Anschläge, auch in eilig schnellen Passagen. Ihre Fingerfertigkeit darf mit Fug und Recht als unglaublich, ja atemberaubend gerühmt werden.
Sofern es sich um Kompositionen handelte, die Younee darbot, waren es Stücke aus ihren beiden Alben „My Piano“und „Jugendstil - Solo Piano Works“. Wie bei zahlreichen anderen Stücken auch, handelt es sich beispielsweise bei „Ausflug“um eine Eigenkomposition. Diese selbst anmoderierend, gesteht sie ihre Vorliebe, ins Grüne zu gehen. Rasant rhythmisiert, perlen ihre Tongirlanden in hohen Lagen hell wie ein Glockenspiel. Mit den halsbrecherisch hohen Absätzen extravaganter Stöckelschuhe klopft sie dazu den Rhythmus, ihren wohlbekannten Schuhfimmel bestätigend.
Dann die Frage in die Runde: „Jetzt möchte ich mit Ihnen Neues komponieren. Haben Sie eine Idee?“Aus dem Publikum wird vorgeschlagen: Frühling und Allgäu. Das inspiriert die Pianistin, nicht eine Minute zögernd, zu einer Improvisation über das Thema „Frühling im Allgäu“. Auf Augenhöhe mit den gespielten Kompositionen ist – kaum zu glauben, aber wahr – zwischen ihnen und ihren Improvisationen nicht der geringste Unterschied zu bemerken.
Bestimmte Stücke untermalt sie mit einer prima Singstimme, die in tieferer Lage passend rauchig angeraut wirkt. Bei einem anderen Stück haben sicherlich nicht alle bemerkt, dass das ihre verjazzte Version der als Schicksalssinfonie bekannten Fünften von Beethoven ist – trotz des verräterischen ta-tata-taam.
Bei den Zugaben setzt sie einen „wie die Faust aufs Auge“passenden fulminanten Schlusspunkt: Improvisation zum Thema „Jazz isch!“