Was die Familiengeschichte über die Gesellschaft verrät
Joachim Maier ist Hobby-Ahnenforscher. Seinen Stammbaum hat er bis ins 17. Jahrhundert rekonstruiert. Er hat Tipps, wie Interessierte ihre Geschichte recherchieren können.
Begonnen hat alles mit seinem Interesse an Wappen. Heute hat Joachim Maier Schränke voll Aktenordner mit Unterlagen zu seiner Familiengeschichte und einen meterlangen Stammbaum. Dabei hat er auch viel über gesellschaftlichen Wandel erfahren. Abgeschlossen ist seine Recherche noch lange nicht.
„Ahnenforschung ist eine kontinuierliche Aufgabe. Das ist nicht innerhalb von vier Wochen abgehakt“, sagt der 54-Jährige. Zumindest dann, wenn man seine Arbeit so ernst nimmt, wie Maier es tut: Verästelung um Verästelung vollzieht er seinen Stammbaum über mehrere Jahrhunderte nach. In seiner über 15-jährigen Forschung konnte Maier die Familiengeschichte bis etwa 1650 zurückverfolgen. Geschwister, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen, Partnerinnen und Partner. In jede Richtung recherchiert der Hobby-Ahnenforscher und Bankangestellte.
Dabei interessieren ihn nicht nur die Namen und Daten seiner Vorfahren, sondern auch die Geschichten dahinter. Über den Wandel der Berufe könne man nachvollziehen, wie sich die Gesellschaft über die Jahrhunderte verändert habe, sagt Maier. Ein Beispiel ist die Industrialisierung: Lange waren Vorfahren Maiers als Hausweber tätig, plötzlich tauchte der Beruf aber nicht mehr auf. Mit der Etablierung von Fabriken mussten sie sich neue Berufe suchen, waren teilweise als Arbeiter in diesen tätig.
Bei seiner Recherche helfen Maier verschiedene Quellen: Kirchenbücher sind online und kostenfrei einsehbar und beinhalten ausführliche Informationen zu Taufe, Eheschließung und Todesdatum. Für die Zeit vor der Einführung der Kirchenbücher, also etwa um 1600, gibt es Briefprotokolle, die Hofübergaben dokumentieren, aber auch über Eheschließungen oder Straftaten berichten. In Bayern gibt es außerdem Haus-/Familienbücher, die Auskunft über die Bewohner eines Hauses geben. Teilweise habe Gemeinden auch eigene Chroniken, die Maier als weitere Quelle nutzt. Allerdings unterliegen die Informationen aus Datenschutzgründen einer Sperrfrist, die bis zu 120 Jahre betragen kann – je nachdem, um welche Information es sich handelt. Den Anfang muss man deshalb über andere Wege herausfinden. Maier empfiehlt dafür beispielsweise Standesämter.
Dem 54-Jährigen ist bei seiner Recherche kein Weg zu weit, er hat bis nach Tschechien und Österreich recherchiert und greift auch auf andere Archive zurück. Um die Geschichte einer seiner Vorfahren zu erfahren, hat er sich beispielsweise an die Arolsen Archives gewandt, das die Geschichte von Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus dokumentiert. Denn ein Familienmitglied wurde im Konzentrationslager ermordet. Zugleich weiß Maier, dass andere Vorfahren zur Zeit des Nationalsozialismus Mitglied der NSDAP waren. „Man ist dabei mit starken Widersprüchen konfrontiert“, sagt er.
Um alte Quellen entziffern zu können, hat Maier verschiedene alte, deutsche Schriften mit einem Übungsbuch gelernt. Das empfiehlt er auch denen, die Interesse an der Ahnenforschung haben. Obwohl Maier seine Forschung akribisch und professionell betreibt, sind auch ihm schon Fehler unterlaufen. Man komme schnell auf eine falsche Fährte, sagt er, besonders wenn Namen identisch seien. Deshalb sei der Abgleich verschiedener Quellen und der Austausch mit anderen HobbyForschern so wichtig.
„Zusammenarbeit ist eigentlich das Wichtigste bei der Ahnenforschung“, sagt Maier. Auf Stammtischen hätte er schon viele Fragen klären können. Der nächste Stammtisch im Unterallgäu findet am Freitag, 5. April, ab 19 Uhr im Gasthof Schwanen in Oberkammlach statt. Eingeladen sind alle Interessierten, die Teilnahme ist kostenfrei.