Lindner will nicht nur auf E-Autos setzen
Der Finanzminister kündigt im Interview Steueranreize für alternative Kraftstoffe an. VW-Chef Blume fordert Verlässlichkeit.
Berlin Im Streit über das europaweit drohende Verbot von VerbrennerAutos will Bundesfinanzminister Christian Lindner mit finanziellen Anreizen den Einsatz synthetischer Kraftstoffe (E-Fuel) vorantreiben, die als Alternative zu E-Autos gelten. „Wir haben verabredet, dass klimafreundliche Kraftstoffe steuerlich so behandelt werden wie Elektromobilität“, sagte der FDP-Chef unserer Redaktion. Gemeint sind synthetische Flüssigkraftstoffe und Biokraftstoffe. Auch diese seien ein Weg zur Klimafreundlichkeit, so Lindner. Er ergänzte: „Es gibt nicht nur die E-Mobilität, die faszinierend ist, es gibt auch Alternativen.“Die FDP wehrt sich schon länger gegen das von der EU beschlossene Verbrenner-Aus ab 2035.
VW-Chef Oliver Blume fordert dagegen, dass das Ausstiegsdatum nicht revidiert wird und sich die Politik an einmal getroffene Entscheidungen hält. „Die Europäische Union hat sich darauf verständigt, ab 2035 allein E-Autos neu zuzulassen“, sagte er. „Die Autoindustrie ist von langfristigen Produktzyklen geprägt. Wir sind auf verlässliche und verbindliche Ziele angewiesen“, so Blume im Gespräch mit unserer Redaktion.
Lindner zufolge ist der Gesetzentwurf für entsprechende Änderungen im Steuerrecht bereits fertig und wird innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Denkbar wäre etwa, dass die Dienstwagenregelung mit reduzierten Steuersätzen in Zukunft auch für Autos gilt, die mit E-Fuels angetrieben werden. Diese werden vielfach als klimafreundlich angesehen, weil sie bei der Verbrennung nur so viel CO2 an die Atmosphäre abgeben, wie sie zuvor aufgenommen haben. Es gibt jedoch auch kritische Stimmen, die auf den hohen Energieeinsatz bei der Herstellung verweisen. Synthetische Kraftstoffe entstehen, wenn über eine Elektrolyse Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten wird. Das erfordert viel Strom, klimafreundlich wäre die Rechnung also nur, wenn dieser aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Ob die anderen Regierungsparteien dem FDP-Vorstoß folgen, bleibt abzuwarten. Die Grünen sind grundsätzlich dagegen, das Verbrenner-Verbot aufzuweichen. Die SPD ist eher unentschieden. Gut möglich, dass hier ein neuer Koalitionskrach droht.
Lindner erhofft sich von den Steuererleichterungen für E-Fuels „auch ein Signal an die Industrie, dass die Bundesregierung es ernst meint mit Technologiefreiheit“. VW-Chef Blume spricht sich dagegen aus, die Weichenstellungen zu häufig zu ändern: „Es geht um die Verbindlichkeit politischer Entscheidungen, diese sollten wir nicht grundlegend vor jeder neuen Wahl infrage stellen.“Dies sei eine Gemeinschaftsaufgabe für Politik und Industrie. Blume forderte die Politik auf, mit neuen steuerlichen Anreizen den Kauf von E-Autos zu fördern. VW habe, wie andere Autobauer, auf den überraschenden Wegfall der E-Auto-Prämie mit Preisnachlässen reagiert. „Diese Rabatte können wir nicht auf Dauer gewähren“, sagte er.
„Eine Strategie ist immer nur so gut, wie sie auch flexibel ist“, betonte Blume. „Der VW-Konzern wäre auf das Jahr 2035 und ein mögliches Aus von neu zugelassenen Verbrennern in Europa vorbereitet“, fügte der Konzernchef hinzu. „Gleichzeitig sind wir absolut flexibel aufgestellt, bieten weiter Verbrenner an, viele mit Hybridantrieb“, sagte er. „Am Ende entscheidet der Kunde.“Da wiederum schließt sich der Kreis zum FDPVorstoß der steuerlichen Unterstützung von synthetischen Kraftstoffen. Lindner sagte, am Ende solle der Markt „dann darüber entscheiden, was wirtschaftlich ist und was die Verbraucher wollen, nicht Politiker und Beamte“.
Der Vorstoß aus dem Bundeswirtschaftsministerium, örtliche Gasnetze perspektivisch zumindest teilweise stillzulegen, wird bei den großen schwäbischen Gasnetz-Betreibern unterschiedlich aufgenommen. Für die Kunden hängt von dieser Frage einiges ab: Wer heute mit Gas heizt, aber irgendwann keinen Anschluss mehr hat, wird sich nach einer anderen Heizungsanlage umsehen müssen. Doch auch wer in einer Gegend wohnt, in der das Gasnetz in jedem Fall erhalten bleiben soll, wird im Hinblick auf eine Wasserstoff-Umrüstung womöglich eine neue Heizung benötigen.
Die Augsburger Stadtwerke haben als einer der ersten Netzbetreiber vor Jahren damit begonnen, Kunden in ausgewählten Gebieten auf eine schrittweise Stilllegung ihres Gasnetzes vorzubereiten. Man wolle Kunden frühzeitig informieren, damit sie dies bei einer anstehenden Heizungsmodernisierung berücksichtigen können, so die Stadtwerke damals. In den vergangenen vier Jahren wurden um die 200 Großverbraucher wie Firmen und große Wohnanlagen angeschrieben. Die Größenordnung zeige, dass es sich um kein Massenphänomen handle, so Stadtwerkesprecher Jürgen Fergg. Für eine flächendeckende Stilllegung des Gasnetzes gebe es keine konkreten Pläne, betont Fergg. Die Stilllegung plane man in Gebieten, die bisher mit Gas und nun neu mit Fernwärme erschlossen werden und in denen die Gasleitungen perspektivisch erneuert werden müssten. Die Bild hatte am Dienstag berichtet, dass in Augsburg eine Stilllegung in großem Stil absehbar sei. Die Stadtwerke bezeichneten die Berichterstattung als „irreführend“. Es werde niemandem der Gashahn zugedreht. Und wer in einem Gas-Bestandsgebiet noch einen neuen Hausanschluss wolle, bekomme einen.
Richtig ist aber, dass die Stadtwerke in Augsburg Erdgas langfristig als Auslaufmodell sehen. Fergg verweist darauf, dass Bayern laut Landtagsbeschluss 2040 klimaneutral sein wolle. „Und Erdgas
ist nun einmal nicht klimaneutral.“Seitens der Politik erwarte man sich im Sinne der Verbraucher „klare und ehrliche Aussagen, wie diese selbst gesteckten Klimaziele erreicht werden sollen“, so Stadtwerke-Vertriebsleiter Ulrich Längle. In Augsburg ist ein massiver Ausbau der Fernwärme geplant. Bis 2040 sollen 40 Prozent des Augsburger Wärmebedarfs aus Fernwärme kommen. Aktuell sind es 20 Prozent. Bis 2040 wollen die Stadtwerke in Augsburg eine Milliarde Euro in den Ausbau von Fernund Nahwärme stecken.
Sollte entgegen den Erwartungen klimaneutraler Wasserstoff künftig zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung stehen, könne
man das Erdgasnetz weiterhin nutzen. Allerdings gebe es daran erhebliche Zweifel. Eine Stilllegung von Gasnetzteilen komme frühestens 2035 infrage. Bis dahin werde man klarer sehen. „Aber es ist auch klar: Der Betrieb zweier Netze nebeneinander kostet Geld“, so Fergg. Das werde sich gegebenenfalls in den Netzentgelten bei den Verbrauchern niederschlagen.
Kein Thema ist ein Netzrückbau bei Energie Schwaben. Am 7100 Kilometer langen Netz in Schwaben und dem Allgäu hängen 210 Kommunen. Die Strategie des Versorgers, der stark in der Fläche präsent ist, setzt primär weiter auf Gasleitungen. Ein Grund: Der Bau von Fernwärme ist um ein Vielfaches
teurer als der von Gas. „Es ist davon auszugehen, dass eine Rentabilität in großen, hochverdichteten Ballungsgebieten wie zum Beispiel der Stadt Augsburg leichter zu erreichen sein wird als in der Fläche“, so Sprecherin Christine Paul-Eger. Bei Energie Schwaben gibt es darum derzeit keine Überlegungen, Teile des Gasnetzes stillzulegen – vielmehr schließe man noch Kunden an. Paul-Eger verweist darauf, dass die Wärmewende bei Bestandsgebäuden – anders als im Neubau – nicht über Wärmepumpen geschafft werden könne. „Da werden die Gasnetze definitiv weiterhin benötigt werden.“Denn auch nach dem novellierten Heizungsgesetz ist es möglich, alte
Gasheizungen bis 2045 mit Erdgas zu betreiben. Neuere Heizungen müssen stufenweise klimaschonender betrieben werden. Dafür, so Energie Schwaben, biete man Biogas-Tarife mit unterschiedlichen Biogas-Anteilen an.
Und längerfristig setzt man bei Energie Schwaben auf Wasserstoff. Das Gasnetz von Energie Schwaben sei heute schon zum Großteil für die Nutzung von Wasserstoff bereit. „Wir haben einen klar definierten Fahrplan für die komplette Ertüchtigung unseres Netzes für 100 Prozent Wasserstoff“, so Paul-Eger. Wichtig sei, dass man für jede angeschlossene Kommune eine individuelle Lösung erarbeite.
Auch die Stadtwerke Ulm/NeuUlm haben aktuell keine Rückbaupläne. Man schaue sich nach alternativen Quellen wie Flusswärmepumpen an der Donau oder Geothermie im Bereich Neu-Ulm/Senden um. Man sehe im Betrieb des Gasnetzes aber weiterhin Potenzial, so Sprecher Sebastian Koch. Aktuell untersuchen die Stadtwerke, ob das Erdgasnetz auch für Wasserstoff fit gemacht werden könnte. „Der sukzessive Wechsel von Erdgas zu Wasserstoff ist aus unserer Sicht eine vielversprechende Option“, so Koch. In einem Pilotprojekt soll bis spätestens 2027 eine Anlage zur Wasserstoffgewinnung gebaut werden, um einen Teil des Wasserstoffs klimaneutral und regional herzustellen.
Wie in ihrem Gebiet geheizt werden soll, müssen die Kommunen bis Ende Juni 2028 festlegen. „Die Zukunft der Gasnetze hängt entscheidend von der kommunalen Wärmeplanung vor Ort ab. Dieser Prozess findet im Moment statt“, sagt ein Sprecher des Verbandes kommunaler Unternehmen. „Wir gehen aktuell davon aus, dass Teile der Gasinfrastruktur auch künftig benötigt und verwendet werden, zum Beispiel, um einen Teil der bisherigen Industrieund Gewerbekunden mit dekarbonisiertem Gas zu versorgen“, so der Sprecher. Einen Teil des Netzes werden die Kommunen aber wohl stilllegen: „Sicherlich wird ein gewisser Teil nicht mehr benötigt werden, und es wird voraussichtlich zu einer Transformation oder Stilllegung der Netze kommen.“