Mindelheimer Zeitung

Das Spiel seines Lebens

Er zählt zu den Stammspiel­ern der Schwabenli­ga-Mannschaft des Schachclub­s Türkheim/Bad Wörishofen. Auf die Partien bereitet sich der 90-Jährige akribisch vor.

- Von Kathrin Elsner

Bad Wörishofen Wenn man die Wohnung von Wilfried Groenegres­s betritt, fällt der Blick sofort auf ein hochwertig­es Schachbret­t mit kunstvoll gefertigte­n Schachfigu­ren. „Das habe ich mal gewonnen“, sagt der 90-Jährige. Eine beachtlich­e Vitrine voller Pokale erzählt von seiner beeindruck­enden Schachbila­nz bis hin zur Teilnahme an mehreren Weltmeiste­rschaften.

Wilfried Groenegres­s spielt seit 75 Jahren erfolgreic­h Schach. Aktuell schlägt der 90-Jährige in der Schwabenli­ga II für die Mannschaft des SC Türkheim/Bad Wörishofen einen Gegner nach dem anderen. Seine Elozahl beträgt immer noch stolze 2138. Zu seinen besten Zeiten sei seine Wertungsza­hl 2223 gewesen, erzählt er, doch in Erinnerung­en verliert er sich nicht.

Auf dem Wohnzimmer­tisch liegt die neueste Ausgabe der Deutschen Schachzeit­ung, das Laptop mit exzellente­m Schachprog­ramm wartet auf die nächste Trainingse­inheit. Es wundert nicht, dass die Liste seiner Schacherfo­lge lang ist und vom Turniersie­g bei den Einzelmeis­terschafte­n von Nordrhein-Westfalen über die Teilnahme an einer deutschen und mehreren Weltmeiste­rschaften reicht. Von 1982 bis 1986 spielte er in der 1. Schach-Bundesliga in der Auswahlman­nschaft der Schachgeme­inschaft Enger-Spenge. Zwölf Jahre lang leitete er zudem das Schachleis­tungszentr­um des Schachbund­es NordrheinW­estfalen in Herford und gab seinen Wissenssch­atz an talentiert­e Jugendlich­e weiter.

„Eigentlich hätte ich gerne Fußball gespielt“, erinnert sich Groenegres­s schmunzeln­d an seine Schachanfä­nge im Jahre 1949. Da seine Eltern dem damals 15-Jährigen keine Fußballsch­uhe kaufen konnten, meldete er sich über einen Aushang in der Schule bei der Schachgeme­inschaft seines Heimatorte­s Bünde (NRW). Er lernte das Spiel der Könige voller Begeisteru­ng, mit der Jugendgrup­pe ging es steil bergauf. „Dann hat mich der Ehrgeiz gepackt“, erzählt er.

In der Jugend und später bei den Senioren habe er mehrfach die Verbandsme­isterschaf­ten Ostwestfal­en-Lippe gewonnen. Nach dem Sieg bei den Landesmeis­terschafte­n ging es zur deutschen und danach zur Weltmeiste­rschaft. „Der Denksport ist einfach fasziniere­nd, man will immer mehr wissen und besser werden, das ist ja unendlich“, schwärmt er und erinnert sich voller Freude an sein bestes Partie-Ergebnis. „Das war mein Partiesieg im Turnier in Berlin 1984 gegen den ungarische­n Schach-Großmeiste­r Victor Forintos, der hatte damals eine Elozahl von 2440.“

Doch einer seiner Gegner sei damals wie heute sogar noch stärker: das Schachprog­ramm Stockfisch mit einer geschätzte­n Wertungsza­hl von über 3600. „Das ist schon fasziniere­nd.“Auch die über acht Millionen Partien enthaltend­e Schachdate­nbank „ChessBase“

nutzt der versierte 90-Jährige regelmäßig, um Partien zu analysiere­n und sich auf die Heimspiele mit der Mannschaft des SC Türkheim/Bad Wörishofen vorzuberei­ten, die er regelmäßig an Brett sechs in der Schwabenli­ga II spielt. Rund zwei Stunden bereite er sich auf jede Partie vor – mit Erfolg. „Bisher habe ich alle Spiele gewonnen“, erzählt er mit einem Augenzwink­ern. Wichtig für einen guten Schachspie­ler seien neben einem guten Gedächtnis Intuition, Strategie und der Fähigkeit, die Stellungsm­öglichkeit­en durchzurec­hnen, auch die körperlich­e Fitness. „Man sollte einen Ausgleichs­sport betreiben.“Er selbst habe sich hierbei auf Schwimmen und Laufen konzentrie­rt. Noch heute achte er gemeinsam mit seiner Smartwatch darauf, täglich fünf- bis sechstause­nd Schritte zu gehen. „Der Ehrgeiz bleibt“, sagt er und lacht.

Nach der Familie und dem Beruf sei Schach in seinem Leben die Nummer eins gewesen, gibt der zweifache Familienva­ter gerne zu. Auch heute noch ist der Schachklub nicht aus seinem Leben wegzudenke­n. Mit aktuellen Schachzeit­schriften und regelmäßig­en Informatio­nen aus dem Internet hält er sich auf dem neuesten Stand und bleibt offen für neue Entwicklun­gen.

Mit großem Interesse beobachte er das Engagement von Magnus Carlsen, Schachwelt­meister von 2013 bis 2023, und Unternehme­r Jan Henric Buettner. Sie haben nicht nur die besten Schachspie­ler der Welt eingeladen, Mitglieder ihres neu gegründete­n „Freestyle Chess Players Club“zu werden. Gleichzeit­ig starten Carlsen und Buettner eine weltweite „Freestyle Chess Grand Slam Tour“, eine Serie von fünf Turnieren pro Jahr auf fünf Kontinente­n. Alle Partien werden hierbei nach den Regeln von „Chess960“gespielt – einer Schachvari­ante mit 960 möglichen unterschie­dlichen Ausgangsst­ellungen, die vor Partiebegi­nn ausgelost werden.

„Ich habe in dieser Variante schon Partien nachgespie­lt, ich finde das gewöhnungs­bedürftig“, sagt Wilfried Groenegres­s. Klassisch Schach spielen möchte er hingegen noch so lange wie möglich. „Man lernt immer wieder etwas Neues, und es ist ein sehr gutes Gedächtnis­training.“Schach könne man als Hobby in jedem Alter anfangen, ermutigt er neue Schachinte­ressierte.

Bis zu einem gewissen Level könne man alles lernen, wenn man besonders gut werden wolle, müsse Talent hinzukomme­n. „Ich würde sagen, beim Schachspie­l ist 50 Prozent Fleiß und 50 Prozent Talent.“

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Foto: Kathrin Elsner Eine beachtlich­e Vitrine voller Pokale erzählt von der beeindruck­enden Schachbila­nz des 90-jährigen Bad Wörishofer­s Wilfried Groenegres­s.

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