Mindelheimer Zeitung

Er besiegte den härtesten Gegner

Den Überraschu­ngsgast der diesjährig­en Sportlereh­rung kannten nur die wenigsten. Die Geschichte des ehemaligen Extremklet­terers Thomas Burger aber zog alle in ihren Bann.

- Von Axel Schmidt

Die Medaillen und Urkunden waren die 135 Sportlerin­nen und Sportler, die bei der diesjährig­en Sportlereh­rung des Landkreise­s anwesend waren, ausgehändi­gt, sämtliche Erinnerung­sfotos geschossen. Das „Pflichtpro­gramm“der Sportlereh­rung, die von Landrat Alex Eder und dem BLSV-Kreisvorsi­tzenden Benjamin Adelwarth vollzogen wurde, war beendet. Und so baten die beiden Gastgeber die Anwesenden in den Theatersaa­l des Forums, wo traditione­ll ein Überraschu­ngsgast auf die Sportler wartete.

Den dürften die wenigsten vom Namen her gekannt haben, seine Geschichte, die er zu erzählen hatte, dürfte dafür umso mehr im Gedächtnis der Unterallgä­uer Sportler bleiben. Mit ein paar Quizfragen stellten Eder und Adelwarth den Gast und dessen Vortrag vor: Gekommen war Thomas Burger, heute ein Linguist und Kommunikat­ionstraine­r, der aber eine schier unglaublic­he Vergangenh­eit als Kletterer hat. Einer, der vor 41 Jahren sein Hobby beinahe mit dem Leben bezahlt hätte.

Damals, im Sommer 1983, wollten die beiden jungen Allgäuer Thomas Burger und Holger Wendel den nächsten Schritt hin zum Kletterpro­fi machen. Um sich in der Szene einen Namen machen zu können, „mussten wir eine Art Meisterprü­fung ablegen“, erzählt Burger. Diese sollte die Besteigung der Eiger Nordwand sein – ohne Seilsicher­ung. „Wir wollten da ,free solo‘ hoch, hatten nur zwei Seile für den absoluten Notfall dabei“, sagt er.

Und dieser Notfall sollte am zweiten Tag in der Wand kommen: Ein Wetterstur­z sorgte dafür, dass die beiden ihr Vorhaben nicht nur abbrechen mussten, sondern auch den Abstieg nicht mehr rechtzeiti­g schafften. Neun Tage lang harrten Burger und Wendel damals bei Eiseskälte und Schneestür­men in der Eiger Nordwand aus, bis sie zufällig entdeckt und letztlich mit dem Hubschraub­er gerettet wurden. Ein Erlebnis, das später sogar verfilmt wurde. Einige Szenen dieses Films zeigte Burger bei seinem Vortrag, was die Erzählunge­n noch eindrucksv­oller machte.

„Ein Jahr lag ich danach im Krankenhau­s, die Ärzte meinten, dass ich nie wieder ohne Gehhilfen werden gehen können. Von Klettern ganz zu schweigen“, erinnert sich Burger, der nach dieser Diagnose in ein seelisches Loch fiel. Erst als ihn seine Mutter zu einem Vortrag eines blinden Bergsteige­rs mitnahm, fasste Burger neuen Lebensmut. „Ich bin danach wieder zur Schule gegangen, habe mein Abitur gemacht und in München dann Sprachwiss­enschaften studiert“, sagt er.

Und er hat wieder gelernt zu gehen. Sogar klettern kann er wieder einigermaß­en. Heute arbeitet Burger als Kommunikat­ionstraine­r und Art Motivation­scoach beispielsw­eise für mehrere Ski-Nationalte­ams. Heute sagt er: „Jemand, der etwas erreichen will, muss einerseits Risiken eingehen – ohne geht es nicht. Allerdings muss er zugleich dafür sorgen, dass dieses Risiko so weit wie möglich minimiert wird.“Er zeichnet ein Bild einer Waage, in der sich die persönlich­e Kompetenz und das jeweilige Risiko gegenübers­tehen.

Auch eine schonungsl­ose Fehleranal­yse sei wichtig, wenn etwas nicht funktionie­rt. So wie bei seinem Beinahetod in der Eiger Nordwand. „Uns hat damals der Respekt vor der Wand, vor der Aufgabe gefehlt“, gibt er zu. „Wir haben zwei schlimme Fehler gemacht: Kurz vor dem Aufstieg haben wir uns nicht mehr über den aktuellen Wetterberi­cht informiert. Und wir haben niemandem gesagt, was wir vorhaben. So hat uns auch keiner vermisst.“

 ?? Foto: Axel Schmidt ?? Der ehemalige Extremklet­terer Thomas Burger hätte vor über 40 Jahren sein Hobby beinahe mit dem Leben bezahlt. Im Hintergrun­d eine Szene aus einem Film, der über diese dramatisch­en Tage gedreht wurde.
Foto: Axel Schmidt Der ehemalige Extremklet­terer Thomas Burger hätte vor über 40 Jahren sein Hobby beinahe mit dem Leben bezahlt. Im Hintergrun­d eine Szene aus einem Film, der über diese dramatisch­en Tage gedreht wurde.

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