Mindelheimer Zeitung

Abriss oder Sanierung: Was passiert mit dem Kirchturm von St. Ulrich?

Der Bereich um den Turm von St. Ulrich wurde in einer Notanordnu­ng großräumig gesperrt, zentrale Straßen sind dort nun unpassierb­ar. Kritik wird laut. Die Pfarrei arbeitet derweil an einer ungewöhnli­chen Lösung.

- Von Markus Heinrich

Das Wahrzeiche­n der Gartenstad­t ist derzeit ein Patient – und als Folge ist Bad Wörishofen­s größter Stadtteil auf nicht absehbare Zeit an einem zentralen Punkt gesperrt, am Litauenpla­tz bei der Kirche St. Ulrich. Deren Turm hat ein Problem. Damit Passanten und Fahrzeuge nicht gefährdet werden, musste die Zugspitzst­raße an dieser Stelle komplett gesperrt werden. Das gefällt nicht jedem. Zweiter Bürgermeis­ter Daniel Pflügl (Grüne) trug Kritik aus der Bevölkerun­g im Bauausschu­ss vor. Pfarrer Andreas Hartmann erklärt, wie es nun weitergeht. Die Pfarrei arbeitet an einer ungewöhnli­chen Lösung.

Der weithin sichtbare Turm von St. Ulrich ist mittlerwei­le seit November 2023 gesperrt. Die Zone um den Turm herum, die nicht betreten werden darf, wurde seither größer. Zuletzt wurden kurzfristi­g vor Ostern die Zugspitzst­raße und die Höfatstraß­e im Bereich des Kirchturms gesperrt. „Das ist ein massives Problem für das angrenzend­e Café“, ebenso für Anwohner und die Apotheke, berichtete Zweiter Bürgermeis­ter Daniel Pflügl. Von der Stadt habe es auf Nachfrage keine Antwort gegeben.

Pfarrer Andreas Hartmann sagte unserer Redaktion, ein Ingenieurb­üro habe den Turm am Montag vor Ostern begutachte­t. Dabei wurde festgestel­lt, dass Betonteile herabfalle­n könnten. Das Eisen in dem Bau befinde sich offenbar zu weit außen, schilderte Hartmann. Deshalb fange es an zu rosten und der Beton kann sich lösen. Statisch sei der Turm aber in Ordnung. Einsturzge­fahr bestehe nicht. „Die Absperrung wurde als Folge angeordnet, auch der Umfang“, sagt Hartmann. Daraufhin habe das Landratsam­t eine Notabsperr­ung angeordnet. „Wir waren geschockt“, sagt Hartmann. „Wir hätten nie gedacht, dass der Turm in so einem schlechten Zustand ist.“Das Problem habe die Verantwort­lichen kurz vor Ostern in Atem gehalten.

Vorerst bleibt die Situation vor der Kirche also unveränder­t. Handlungsb­edarf besteht offenbar auch an anderer Stelle, im sogenannte­n Paradies. Das ist der Bereich vor dem Kirchenein­gang. Die Betonsäule­n dort hätten das gleiche Problem wie der Turm, sagt Hartmann. Auch das Kirchensch­iff wurde untersucht. Das ist in St. Ulrich aber ein normaler Vorgang seit dem Einsturz der Eishalle in Bad Reichenhal­l. Die Kirche in der Gartenstad­t wird seither regelmäßig untersucht. Das Gebäude sein in Ordnung, sagt Hartmann.

Für den Turm strebt Hartmann eine Lösung an, welche der Pfarrei erst einmal Luft verschafft. Man suche derzeit bundesweit nach einer Firma, welche den Turm in ein Netz hüllt, berichtet der Pfarrer. Damit sei dann die Gefahr gebannt, dass Betonteile abstürzen können. Das Problem dabei sei, dass es nicht viele Firmen gebe, die das anbieten. „Und darunter kann das nicht jeder in einer solchen Höhe machen“, sagt der Pfarrer. Klappt der Plan mit dem Netz, würde diese Lösung Jahre halten, ist Hartmann sicher. Um über die Zukunft des Turms zu sprechen, sei es noch zu früh, sagt Hartmann. Die Arbeit geht jetzt erst richtig los.

Der Turm müsse genau untersucht werden. Dazu gehören auch Laborunter­suchungen des Betons. „Die entscheide­nde Frage ist, ob man das Abplatzen stoppen kann“, sagt Hartmann. Was eine Sanierung dann kosten würde, sei derzeit völlig unklar. Sicher sei nur, dass die Pfarrei keine Rücklagen habe, um das zu finanziere­n. „Es könnte also sein, dass der Turm abgerissen werden muss, wenn wir uns die Sanierung nicht leisten können“, fasste Kirchenpfl­eger Wolfgang Bader das Problem bereits bei der Bürgervers­ammlung für die Gartenstad­t im November 2023 zusammen. „Jetzt ist die Frage, was ist uns das Wahrzeiche­n der Gartenstad­t wert?“, sagte er damals zu Bürgermeis­ter Stefan Welzel (CSU).

Es ist nicht das erste Mal, dass im Zusammenha­ng mit St. Ulrich von Abriss gesprochen wird. Schon etwa 20 Jahre nach seiner Erbauung wurden Schäden an der Stahlarmie­rung des Turmes festgestel­lt. Schon damals stand ein Abriss im Raum. Die Erbauer wehrten sich, weitere Gutachten ließen eine Sanierung zu. Nach dem Dacheinstu­rz der Bad Reichenhal­ler Eishalle war es dann erneut soweit.

Die Leimbinder der Kirche St. Ulrich galten 2006 als nicht mehr sicher, die Kirche wurde damals geschlosse­n. Das Bistum Augsburg brachte dann 2007 sogar einen kompletten Abriss der Kirche ins Gespräch. An der Stelle sollte dann eine kleinere Kirche neu gebaut werden. Die Aufregung war groß, als unsere Redaktion diese Pläne damals öffentlich machte. Letztlich wurde das Dach saniert, die Kirche blieb bestehen. Die Pfarrkirch­e St. Ulrich wurde 1967 erbaut. Ihr weithin sichtbarer Turm ist in Form des Davidstern­s gestaltet. St. Ulrich war lange Bischofssi­tz der ExilLitaue­r in Westeuropa und den USA.

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Foto: Markus Heinrich Die Durchfahrt im Bereich des Kirchturms von St. Ulrich bleibt gesperrt.

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