Ein Elefant in Kettershausen
Hans-Peter Schlumpp ist Tierpräparator. Momentan arbeitet er an seinem größten Werk.
Als ob er gerade zum Sprung ansetzen würde, blickt der Leopard mit geöffnetem Maul von einem Ast. Unter ihm stehen nebeneinander ein Strauß, ein Zebra, ein Springbock, eine Antilope. Von den Wänden blicken mächtige Köpfe von Büffeln und Gnus mit imposanten Geweihen. In freier Natur könnte man dieses harmonische Zusammentreffen von Wildtieren nicht erleben. Aber im Ausstellungsraum von Hans-Peter Schlumpp in Kettershausen entdeckt man noch viele weitere ausdrucksstarke, lebensecht präparierte Jagdtrophäen heimischer und exotischer Herkunft.
Wer bisher nicht gewusst hat, was ein Kudu ist, kann hier die große Waldantilope, die im gesamten östlichen und südlichen Afrika vorkommt, aus nächster Nähe bestaunen. Auch ein ziegenartiges Takin aus Asien, der Kopf eines für seine charakteristischen Hörner bekannten Hausrinds der Rasse „Texas Longhorn“und die Trophäen weiterer Exoten hat Schlumpp ausgestellt. Natürlich kann man in seiner Galerie auch Tierpräparate besichtigen, die der Hobbyjäger bei seinen regelmäßigen Safaris in Tansania, Namibia, Kanada, Russland und Alaska selbst erlegt hat.
Vor mehr als 40 Jahren hat der gelernte Zimmerermeister seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. „Als passionierter Hobbyjäger habe ich damals oft selbst erlegte Tiere zum Präparator gebracht“, erzählt er. Da er mit dem Ergebnis meistens nicht zufrieden war, habe er sich die Fähigkeiten und Kenntnisse, die man für diese anspruchsvolle Tätigkeit benötigt, im Laufe der Zeit selbst angeeignet. Später übernahm er die Firma eines Großwildpräparators.
Um die für seine aufwendige Arbeit notwendigen Räumlichkeiten
einrichten zu können, hat der gebürtige Auer 1997 ein ehemaliges Gehöft im Außenbereich von Kettershausen erworben. Nach Abriss des alten Gebäudes baute er neben dem neuen Wohnhaus für die Familie im Jahr 2000 auch eine große Werkstatt mit Ausstellungsraum. Wegen eines Unfalls habe er rund ein Jahr lang nicht arbeiten können, berichtet Schlumpp. „Aber dann konnte ich glücklicherweise wieder voll loslegen.“
Seine Lohnaufträge erhält der erfahrene Tierpräparator aus dem gesamten deutschen Raum, aber auch aus Österreich, der Schweiz und manchmal aus den USA. „In der Regel bekomme ich die gereinigte, gesalzene und getrocknete Haut sowie die Schädelknochen einer Jagdtrophäe angeliefert“, sagt er. Von erlegten Tieren, die dem Artenschutz unterliegen, müssen ihm
auch entsprechende Nachweise vorgelegt werden. Erst dann kann er mit seiner Arbeit beginnen. Die gesalzene Tierhaut werde eingeweicht und für das Gerben und Einfetten vorbereitet. Außerdem müsse sie ganz dünn geschnitten werden, erklärt Schlumpp. Anschließend vermesse er das in der Läutertrommel behandelte Fell.
Anhand der Maße kann er die anatomisch gerechte Grundform des jeweiligen Tieres mit einer Modelliermasse formen. Dafür benötigt er ebenso wie für das Aufziehen der Haut auf das Gerüst viel Geschick. Für seine diffizile und oft körperlich schwere Arbeit braucht der Fachmann nicht nur eine Vielzahl von Werkzeugen und Materialien, sondern auch Kraft. Unterstützung erhält er von seinem Sohn Alexander. Die Zahl der Arbeitsstunden, die er für ein Präparat
aufwenden muss, sei individuell. Wie viele Tiere er schon auf Dauer haltbar gemacht hat, kann Schlumpp nicht sagen. „Das kleinste hatte in etwa die Maße einer Maus, die größten waren der Kopf samt Hals einer Giraffe, ein Grizzlybär, ein Elefantenkopf und ein komplettes Nilpferd.“An seinem größten Werk arbeitet er allerdings zurzeit: Im Auftrag eines privaten Museums setzt er das Skelett eines Afrikanischen Elefanten zusammen.
Als Naturfreund legt der Kettershauser großen Wert auf Nachhaltigkeit und Selbstversorgung. Als Nebenerwerbslandwirt hält er schottische Hochlandrinder, Schafe sowie Enten und Gänse artgerecht und vermarktet sie. Außerdem nutzt er die umliegenden Streuobstwiesen und den Wald für die Gewinnung von Honig.