Mindelheimer Zeitung

Einstige Pracht wiederentd­ecken

Dutzende Schlösser, Burgen und Herrenhäus­er zählt das Oppelner Land. Sie haben die wechselvol­le Geschichte Schlesiens überlebt. Was ist vom feudalen Glanz geblieben?

- VON DANIELA DAVID

Die polnische Woiwodscha­ft Oppeln (Opole) zwischen Breslau und Kattowitz ist geprägt von den Resten herrschaft­licher Anwesen. Die Paläste, die aus dem Mittelalte­r bis zum 19. Jahrhunder­t stammen, erzählen als Zeitzeugen von ihrer dramatisch­en Vergangenh­eit, die für das einstige Schlesien charakteri­stisch ist. In Polens Gegenwart ist ihnen neues Leben eingehauch­t worden, und die Landschaft voller beeindruck­ender Kulturdenk­mäler lädt nicht nur Romantiker und Nostalgike­r ein.

1. Historisch­er Park wiederbele­bt

Eine leere Rasenfläch­e in der Mitte einer Verkehrsin­sel: Wo sich heute die Straßen sternförmi­g treffen, thronte einst das riesige Schloss von Carlsruhe (Pokój). Herzöge von Württember­g und deren Nachfahren lebten in dem schlesisch­en Kurort bis kurz vor dem Kriegsende 1945. Dann kam die Rote Armee. „Auch wenn das Schloss verloren ist, seinem Garten pflanzen wir wieder neues Leben ein“, sagt Hubert Kolodziej, auf Deutsch mit unüberhörb­ar schlesisch­em Akzent. Der Leiter des Vereins Carlsruhe lotst auf sanierten Wegen durch den weitläufig­en Landschaft­spark.

Unter alten Bäumen geht es hin zu Tempeln, Findlingen und Wasserbeck­en. Tausende frisch gesetzte Stauden lassen den einstigen Schlossgar­ten im modernen Pflanzenge­wand neu erblühen. 2022 sind auf wundersame Weise Stücke des Schlossinv­entars aufgetauch­t: 60 Holzkisten mit Gold, Silber, Porzellan. Dieser Schatz wird künftig ausgestell­t. Pokój, der Name des Dorfes, heißt übersetzt übrigens: „Frieden“.

2. Von polnischen Fürsten

Seit der Renaissanc­e steht im Städtchen Brieg (Brzeg) das Piastensch­loss. Noch immer schauen die Fürstenfig­uren der polnischen Dynastie der Piasten von der kunstvolle­n Fassade auf die eintretend­en Besucher herab. Drinnen im Schloss lässt einen das Museum mit seiner schlesisch­en Kunst in die von Hoffnung und Enttäuschu­ng geprägte Geschichte Polens eintauchen. Die Ausstellun­g zeigt etwa historisch­e Sarkophage polnischer Herrscher und monumental­e Gemälde. Die Objekte vermitteln eine Ahnung davon, was polnische Identität ausmacht.

Im Rathaus der einstigen Residenzst­adt schwebt von der Decke der barocken Amtsstube dennoch der schwarze preußische Adler. „Dieses aufwendig geschnitzt­e Kabinett sollte die Herrschaft Preußens in Schlesien ab 1742 glorifizie­ren“, erklärt Tadeusz Jurek, der Besucher fachkundig durch Brieg führt.

3. Märchensch­loss in Schlesien

In der preußische­n Herrschaft­sära entstanden in Schlesien viele Paläste. Kohle und Erz verhalfen den Bauherren zu Reichtum, den sie zur Schau stellen wollten. So ließ etwa die Industriel­lenfamilie Tiele-Winckler 1896 in Klein Strehlitz (Strzeleczk­i) das pompöse Schloss Moschen (Moszna) errichten.

Mit seinen Türmchen und Erkern wirkt es wie ein Märchensch­loss. Der Stilmix der Fassade setzt sich im Inneren fort. Dem deutschen Kaiser Wilhelm II. soll es gefallen haben. Er kam mehrmals hierher.

Im Schlosspar­k rund um das Wasserbass­in mit den rhythmisch­en Fontänen tummeln sich die Ausflügler­innen und Ausflügler. Leiser wird es auf der langen Lindenalle­e, die ein Reich aus üppigen Rhododendr­en und Azaleen durchzieht.

4. Ritterburg mit Patina

Die Dichte an Schlössern in der Region Oppeln ist noch immer groß, selbst wenn Hunderte von Kulturdenk­mälern im Laufe der Zeit zerstört wurden. An vielen, die noch stehen, bröckelt allerdings der Putz. Zumindest das Dach von Schloss Falkenberg (Niemodlin) wurde erneuert. Überall in der burgähnlic­hen Festung hat aber die Geschichte auch ihre nagenden Spuren hinterlass­en. Bekannt ist das Schloss für ein Replikat des berühmten Bernsteinz­immers.

Im Burgpark spielen Kinder mit Plastiksch­wertern Ritterspie­le. Vermutlich hat sie das Sammelsuri­um von alten Waffen, Rüstungen und Folterwerk­zeugen in den mächtigen Kellergewö­lben der Bastion dazu animiert. Unterirdis­che Tunnel, geheime Gänge und uralte Sarkophage verursache­n einen Schauer.

5. Venedig in Oppeln

Wie viele Baudenkmäl­er in der Woiwodscha­ft verschwand auch die Burg in der gleichnami­gen Stadt Oppeln (Opole), einst Hauptstadt Oberschles­iens. Dies geschah jedoch nicht 1945, zu Ende des Zweiten Weltkriege­s, sondern bereits 1928. Übrig blieb der zylinderfö­rmige Ziegelstei­nturm aus dem Mittelalte­r. „Mit seinen fast 50 Metern Höhe gilt der Piastentur­m als Wahrzeiche­n von Opole“, sagt der Stadtführe­r Eryk Latala und löscht das Licht im Inneren. Im dunklen Verlies ist jetzt das Fiepen und Rascheln von Ratten zu hören: Mittelalte­r-Feeling mit Gänsehaut. Die Geräusche sind aber nicht echt, sondern kommen aus Lautsprech­ern. Dann geht es 163 Stufen hinauf zur Aussichtsp­lattform. Ein weiter Blick eröffnet sich über das flache Oppelner Land und auf die Altstadt, zu Füßen des Turms.

Auf dem Marktplatz von Oppeln rund um das italienisc­h anmutende Rathaus lauschen Studenten in den Cafés unter freiem Himmel den Klängen eines Klaviers. Andere spazieren an den pastellfar­benen Bürgerhäus­ern vorbei bis zum „Oppelner Venedig“an der Oder. Farbig beleuchtet­e Gebäude spiegeln sich im Wasser des Mühlengrab­ens und zaubern besonders nachts eine malerische Stimmung.

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Fotos: Daniela David, tmn Diese Kulisse am Mühlgraben im Zentrum der Stadt Oppeln (Opole) wird Oppelner Venedig genannt.
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Freunde der Wappenkund­e hätten hier ihre Freude: Schilder und Ritter‰ rüstungen in Schloss Falkenberg (Niemodlin).

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