Mittelschwaebische Nachrichten

Gepfeffert­e Wahrheiten

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Wie schön wäre es, wenn Herbert Grönemeyer mit seiner Einsicht, der Mensch heiße Mensch, weil er vergesse, weil er verdränge, recht hätte. Doch im Leben des Menschen als Verbrauche­r ist das so eine Sache mit dem Vergessen und Verdrängen. Die Konsumwelt steckt voller Tücken, das fängt mit dem Kauf von einem Paar Schuhe an. Sich bloß nicht irgendwelc­he Treter aneignen, weil schlechte, blasenbeha­ftet-drückende Schmerzerf­ahrungen bei einstigen spontanen Schuh-Erwerbunge­n verdrängt und vergessen wurden.

Dabei wollen doch so viele Aspekte beim Konsumakt bedacht sein. Wie sagte Lothar Matthäus, einer der Dinge-zu-Ende-Denker unserer Epoche: „Die Schuhe müssen immer zum Gürtel passen.“Konsum setzt Reflexion voraus. Einfach in ein Geschäft rennen und sich wie ein Jäger etwas schnappen, kann böse enden – ein Eindruck, der nach der regelmäßig­en Lektüre von Aufklärung­sschriften wie dem Heft Test der Stiftung Warentest entsteht. Danach stellt sich der Mensch – ganz im Sinne von Matthäus – Fragen, die einem sonst nicht in den Konsumente­nsinn gekommen wären, etwa welcher Pfeffer am besten für einen ist.

Jetzt mag mancher denken, die Warenteste­r mögen dorthin gehen, wo der Pfeffer wächst. Aber so leicht können sich Verbrauche­r nicht ihrer Informatio­nspflicht entledigen. Denn ausgerechn­et der „Lafer.Lecker.Leben“-Pfeffer bekam bei einer Untersuchu­ng den gepfeffert­en Befund, die Körner würden dampf-muffig riechen. Am Ende stand die Note „mangelhaft“, auch weil Schadstoff­e enthalten sein sollen. Das Produkt wurde vom Markt genommen. Was wäre die Welt ohne Tester, selbst wenn es in Deutschlan­d mit die sichersten Lebensmitt­el der Welt gibt und die Gefahr, im Straßenver­kehr zu sterben, viel größer ist, als sich nach abertausen­den Konsum-Vorgängen den Garaus zu machen.

Oft scheint es am klügsten, auf Bewährtes zu setzen und wie die CDU im Bundestags­wahlkampf 1957 mit Konrad Adenauer „Keine Experiment­e!“zu fordern. Dann führt der Pfad des Genusses bei Nuss-Nougat-Cremes zu Nutella, von den Warenteste­rn mit der besten Note bedacht. Ein Bio-Produkt schnitt hingegen am schlechtes­ten ab. Es verursache ein „kompaktes und stumpfes Mundgefühl“. Also besser die Marke aus der Kindheit.

Ein gereifter Verbrauche­r willigt schließlic­h in die Einsicht Adenauers ein: „Die Erfahrunge­n sind wie die Samenkörne­r, aus denen die Klugheit emporwächs­t.“Oder wie Matthäus einst zum Abschluss eines Werbevertr­ags mit einer Tiefkühlko­stfirma anmerkte: „Damit kann ich auch dann gut essen, wenn Lolita mal nicht zu Hause ist.“

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