Mittelschwaebische Nachrichten
Gepfefferte Wahrheiten
Wie schön wäre es, wenn Herbert Grönemeyer mit seiner Einsicht, der Mensch heiße Mensch, weil er vergesse, weil er verdränge, recht hätte. Doch im Leben des Menschen als Verbraucher ist das so eine Sache mit dem Vergessen und Verdrängen. Die Konsumwelt steckt voller Tücken, das fängt mit dem Kauf von einem Paar Schuhe an. Sich bloß nicht irgendwelche Treter aneignen, weil schlechte, blasenbehaftet-drückende Schmerzerfahrungen bei einstigen spontanen Schuh-Erwerbungen verdrängt und vergessen wurden.
Dabei wollen doch so viele Aspekte beim Konsumakt bedacht sein. Wie sagte Lothar Matthäus, einer der Dinge-zu-Ende-Denker unserer Epoche: „Die Schuhe müssen immer zum Gürtel passen.“Konsum setzt Reflexion voraus. Einfach in ein Geschäft rennen und sich wie ein Jäger etwas schnappen, kann böse enden – ein Eindruck, der nach der regelmäßigen Lektüre von Aufklärungsschriften wie dem Heft Test der Stiftung Warentest entsteht. Danach stellt sich der Mensch – ganz im Sinne von Matthäus – Fragen, die einem sonst nicht in den Konsumentensinn gekommen wären, etwa welcher Pfeffer am besten für einen ist.
Jetzt mag mancher denken, die Warentester mögen dorthin gehen, wo der Pfeffer wächst. Aber so leicht können sich Verbraucher nicht ihrer Informationspflicht entledigen. Denn ausgerechnet der „Lafer.Lecker.Leben“-Pfeffer bekam bei einer Untersuchung den gepfefferten Befund, die Körner würden dampf-muffig riechen. Am Ende stand die Note „mangelhaft“, auch weil Schadstoffe enthalten sein sollen. Das Produkt wurde vom Markt genommen. Was wäre die Welt ohne Tester, selbst wenn es in Deutschland mit die sichersten Lebensmittel der Welt gibt und die Gefahr, im Straßenverkehr zu sterben, viel größer ist, als sich nach abertausenden Konsum-Vorgängen den Garaus zu machen.
Oft scheint es am klügsten, auf Bewährtes zu setzen und wie die CDU im Bundestagswahlkampf 1957 mit Konrad Adenauer „Keine Experimente!“zu fordern. Dann führt der Pfad des Genusses bei Nuss-Nougat-Cremes zu Nutella, von den Warentestern mit der besten Note bedacht. Ein Bio-Produkt schnitt hingegen am schlechtesten ab. Es verursache ein „kompaktes und stumpfes Mundgefühl“. Also besser die Marke aus der Kindheit.
Ein gereifter Verbraucher willigt schließlich in die Einsicht Adenauers ein: „Die Erfahrungen sind wie die Samenkörner, aus denen die Klugheit emporwächst.“Oder wie Matthäus einst zum Abschluss eines Werbevertrags mit einer Tiefkühlkostfirma anmerkte: „Damit kann ich auch dann gut essen, wenn Lolita mal nicht zu Hause ist.“