Mittelschwaebische Nachrichten
Pferd beißt in Motorhaube: Wer ist schuld?
Auf dem Gelände eines Reitvereins in den Stauden schnappt der Vierbeiner zu. Seit drei Jahren sind Gerichte mit dem Fall beschäftigt. Ein Pferdeexperte erklärt das Verhalten des Tieres
Stauden Deutlich über 200 Pferdestärken schlummern in aller Regel im Inneren eines Audi Q7. An einem Sommertag vor drei Jahren zogen sie auf dem Gelände eines Reitvereins in den Stauden jedoch den Kürzeren – gegen gerade mal eine Pferdestärke. Denn als die Besitzerin eines Q7 ihren Wagen im Innenhof der Stallungen parkte, passierte es: Ein Pferd streckte aus einer Box den Kopf heraus und biss in die Motorhaube. Seitdem beschäftigt die Frage, wer für den Sachschaden in Höhe von etwa 2000 Euro aufkommt, die Versicherung und die Justiz. Jetzt sah sich ein Richter des Landgerichts bei einem Außentermin die Stallungen an.
Bereits im Mai hatte das Amtsgericht ein Urteil gefällt, in dem der Autofahrerin eine 50-prozentige Teilschuld eingeräumt worden war. Schließlich hätte sie, so die damalige Argumentation, wissen müssen, dass sie nicht so nahe an den Stall hätte fahren dürfen. Das sah die Audi-Fahrerin nicht ein und legte Berufung ein, sodass der Fall nun beim Landgericht landete. In Augenschein sollte dabei genommen werden, wie die Verhältnisse vor Ort aussehen. Die Audi-Fahrerin erinnerte sich: „Es lief gerade ein Turnier, und ich habe den letzten Parkplatz erwischt. Ich bin dann mit der Motorhaube voran an den Stall gefahren. Und gerade, als ich den Schlüssel abziehe, sehe ich den Hals des Pferdes und merke, wie es in die Motorhaube beißt.“Zusammen mit ihrer Tochter, die auf dem Beifahrersitz saß, fuhr sie darauf von dem Parkplatz. „Ich beschäftige mich seit 40 Jahren mit Pferden. Aber so etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte sie beim Ortstermin. Auf der Motorhaube hinterließen die Zähne des Tieres lange Kratzer.
Dass Autos auf dem Platz abgestellt werden, ist indes nichts Ungewöhnliches: Auch beim gestrigen Ortstermin waren entlang der Stallungen Autos geparkt. Normalerweise sind die Fenster auch mit Gittern und einem Fenster gesichert – diese waren, als das Pferd zubiss, aber beide abgehängt. Clemens Käuffer, der Anwalt der Frau, sah die Verantwortung deswegen alleine bei der Pferdebesitzerin, die sowohl Gitter als auch Fenster zeitweise entfernt hatte. Das sah der Anwalt der Gegenseite, Robert Kaufer, natürlich etwas anders: „Gerade wenn Gitter und Fenster weg sind, muss ich doch besonders aufpassen.“
Nach Einschätzung von Hans Haussmann, dem Vorsitzenden des Pferdezuchtverbands Schwabens, war das Verhalten des Tieres keineswegs aggressiv: „Für Pferde sind das Maul und die Lippen, was für uns Menschen die Hände sind. Die Tiere können damit komplizierte Arbeiten erledigen.“So knabbern Pferde zum Beispiel am Holz herum, um sich ihre Umgebung damit zu ertasten, oder fahren mit den Zähnen am Metall einer Box auf und ab. Haussmann kann sich gut vorstellen, dass das Pferd an diesem Tag schlichtweg ertasten wollte, welches Ding sich seiner Box nähert, und deswegen mit den Zähnen auf die Motorhaube gehämmert hat. Neu ist das Verhalten für Haussmann, der als Fachanwalt ein Experte für Haftungsfragen im Zusammenhang mit Pferden ist, übrigens nicht: „Vor gar nicht allzu langer Zeit haben wir in Bayern einen ähnlichen Fall gehabt. Es gibt zum Beispiel auch Ponys, die an Autos die Zierleisten abreißen.“
Eine Entscheidung, wer in diesem Fall denn nun schuld ist, wird das Gericht unter der Leitung von Richter Hermann Wagner in rund zwei Wochen fällen.