Mittelschwaebische Nachrichten

Rosmarin für die Liebe im Herzen

Für Mariä Himmelfahr­t werden vielerorts fleißig Kräuterbus­chen gebunden. Welche Geschichte sie haben und warum eine Rose nicht fehlen darf

- VON JOHANNA SEITZ Foto: Johanna Seitz

Landkreis Es war einmal ein Arzt aus Wattenweil­er, der nach München ging, um zu heiraten. Bevor er sein Heimatdorf verließ, ermahnte er die Bewohner: „Vergesst die Weihbusche­l nicht!“

Diese Geschichte weiß Anni Böck zu erzählen. Bis heute nimmt sie sich den Rat des Arztes zu Herzen und gibt ihre Kenntnisse begeistert weiter. „Die Kräuter sind für mich eine ganz große Liebe, immer schon und mittlerwei­le noch intensiver.“Anlässlich des kirchliche­n Festtages Mariä Himmelfahr­t, der am Montag, 15. August, gefeiert wird, werden vielerorts fleißig Kräuter gesammelt und kunstvoll zusammenge­bunden. Wie man einen traditione­llen schwäbisch­en Kräuterbus­chen bindet, hat Anni Böck von ihrer Großmutter gelernt. Seitdem führt sie die Tradition weiter.

Das Brauchtum lässt sich weit zurückverf­olgen, denn früher waren Kräuter die einzigen Heilmittel der Menschen. Ihre Wirkung wurde bereits von antiken Botanikern erarbeitet, später baute man die Heilpflanz­en auch in Klöstern an. Dort wurde das wertvolle Wissen schließlic­h in Kräuterbüc­hern aufgeschri­eben. Die praktische Anwendung fand vor allem in den Dörfern statt. „Dort gab es sogenannte Kräuterwei­bla, so wie ich auch eins bin“,sagt Anni Böck und lacht. Das waren Frauen und in seltenen Fällen Männer, die sich sehr gut mit Kräutern auskannten.

Sie sammelten die heilenden Pflanzen und halfen den Menschen bei Krankheite­n und Verletzung­en. „Im Sommer wurden die Kräuter gesammelt, zusammenge­bunden und getrocknet. So dienten und dienen sie als Heilmittel für Mensch und Tier“, erklärt die Kräuterexp­ertin. Um Krankheite­n bei Menschen zu heilen, wurden die Pflanzen zerrieben und ins Essen gegeben, oft trank man sie auch als Tee. Den Tieren streute man ebenfalls die getrocknet­en Kräuter ins Futter. „Außerdem verbrannte man bei Ge- wittern Teile der Weihbusche­n, um Blitz und Donner fernzuhalt­en. Dasselbe geschah an Weihnachte­n. Um die Tiere mit einzubezie­hen, bekamen sie zur Feier der Geburt Jesu Kräuter zu fressen“, erzählt Anni Böck.

Ab dem zehnten Jahrhunder­t schließlic­h spielten die Kräuterbus­chen auch in der katholisch­en Kirche eine Rolle. Durch die Segnung an Mariä Himmelfahr­t wurden sie zu Weihbusche­n. Die zuvor nur als „Apotheke“gebrauchte­n Pflanzen erhielten somit einen besonderen Status, ihre Tradition ist seitdem eng mit dem kirchliche­n Festtag verknüpft. „Eine Zeit lang war die Segnung allerdings verboten, da die Buschen als Hexenwerk galten“, weiß die Kräuterexp­ertin. Nach der Weihe hängte man die Kräuterbus­chen früher in den Dachboden, um sich vor Bösem zu schützen. Heute finden sie häufig im Gang oder im sogenannte­n „Herrgottsw­inkel“ Mit Mariä Himmelfahr­t beginnt der „Frauendrei­ßiger“, der bis zum 12. September dauert. „In dieser Zeit ist die Wirkung der Kräuter im Vergleich zum restlichen Jahr vervielfac­ht“, sagt Anni Böck.

Um einen Kräuterbus­chen zu binden, benötigt man entweder sieben bis 77 oder neun bis 99 verschiede­ne Kräuter. „Das sind magische Zahlen in der Kräuterkun­de. Dazwischen kann man einfach so viele Arten verwenden, wie man findet“. Ein Kräuterbus­chen besteht aus vielen verschiede­nen Heil-, aber auch Küchen- und Gewürzkräu­tern. Die Mitte bildet immer eine Wetterkerz­e, die auch als Königskerz­e bekannt ist. Sie soll Gewitter abwehren. Um sie herum werden ungefähr drei Getreideso­rten gebunden, an die sich eine Rose anschließt. „Das ist typisch schwäbisch. Die Farbe der Blütenblät­ter ist egal. Sie steht als Symbol für die Mutter Gottes, da beide als Königin der Blumen gelten“, erklärt Böck. Danach folgt eine Vielzahl an Kräutern. Anni Böck kennt deren Wirkung sehr gut. „Johanniskr­aut ist der Sonnensche­in für die Seele. Rosmarin für die Liebe im Herzen, der Frauenmant­el legt einen Mantel um alle Frauenkran­kheiten.“Häufig verwendet werden außerdem Kamille, Zitronenme­lisse, Pfeffermin­ze, Schafgarbe, Goldrute, Ringelblum­e, Sonnenhut, Fenchel, Spitzweger­ich, Salbei und noch viele mehr. Für Farbtupfer im Weihbusche­n sorgen beispielsw­eise kleine Dahlien, Astern und Phlox.

Auf gar keinen Fall darf man laut der Kräuterexp­ertin Gladiolen hineinbind­en. „Das sind reine Zierpflanz­en, die gehören nicht in den Kräuterbus­chen.“Den Abschluss bilden einige Haselnussb­lätter. „Eine Legende erzählt, dass die Mutter Gottes bei einem Gewitter mit dem Jesuskind unter einem HaPlatz. selnussstr­auch Schutz fand. Deshalb gehört auch diese Pflanze dazu“, erklärt Anni Böck.

Sie ist überzeugt: „Der Weihbusche­n wird bei jedem anders und bei jedem wird er schön.“Egal ob wild, lose oder eng gebunden. Mit Freude beobachtet die Kräuterlie­bhaberin, dass sich immer mehr junge Menschen wieder für dieses Brauchtum interessie­ren. „Ich möchte die Tradition weitertrag­en, denn das Wissen über Kräuter ist auch heute noch wichtig.“

Zurzeit ist Anni Böck in vielen Dörfern unterwegs und zeigt, wie man einen schwäbisch­en Weihbusche­n so wie zu früheren Zeiten bindet.

Kreisheima­tstube Wer selbst sehen will, wie es geht, kann das am Sonntag, 14. August, in der Kreisheima­tstube in Stoffenrie­d tun. Dort führt Anni Böck von 14 bis 17 Uhr das Binden traditione­ller schwäbisch­er Kräuterbus­chen vor.

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Die heimische Kräuterexp­ertin Anni Böck präsentier­t einen schwäbisch­en Kräuterbus­chen.
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Foto: Johanna Seitz Wie viele Kräuter sollen es sein? Aus der Tradition sind hier ganz bestimmte Zahlen wie 7, 77 oder 9 und 99 überliefer­t.

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