Mittelschwaebische Nachrichten
Der mit dem Kater kuschelt
Benjamin Huber arbeitet freiwillig im Weißenhorner Tierheim. Dreimal die Woche kommt er vorbei – um die Katzen zu streicheln. Über ein ausgefallenes Engagement
Weißenhorn Benjamin Huber krault den rot-weiß gefleckten Kater hinter den Ohren. Der schnurrt, schließt die grünen Augen. Jochen, so der Name des kleinen Rackers, ist die Lieblingskatze von Benjamin. Dreimal die Woche stattet der 22-jährige Illerberger dem Kater einen Besuch im Tierheim ab und bleibt drei Stunden lang. Denn er ist einer der freiwilligen Katzenstreichler im Weißenhorner Tierheim.
So bekommt nicht nur Jochen regelmäßig Streicheleinheiten – auch die anderen Samtpfoten im Tierheim freuen sich über Aufmerksamkeit, ja buhlen geradezu darum. Kommt einer der Katzenstreichler, flitzen die Kätzchen durch den Raum mit den gelben Wänden und Blick hinaus in den Garten. Dann hüpfen sie auf den dreistöckigen Kratzbaum, miauen oder jagen den Plüschball.
Die Idee, Katzenstreichler einzuladen, kam dem Vorstand des Tierheims vor einiger Zeit in den Sinn. „Wir sind nicht viel Personal, wollen uns aber trotzdem intensiv um unsere Tiere kümmern“, sagt Vorsitzende Ute Prestele. Bei den Hunden gebe es solche Angebote ja schon länger, auch in anderen Tierheimen. Es gibt zum Beispiel Leute, die mit den Tieren Gassi gehen. Warum also nicht auch für Katzen jemanden finden? Schließlich hat das Tierheim via Internetseite nach Tierfreunden gesucht, die sich bereit
„Katzen sind Lebewesen, kein Spielzeug.“ Ute Prestele, Leiterin des Tierheims
erklären, regelmäßig vorbeizukommen, um mit den Katzen zu spielen und zu schmusen. Hat jemand Interesse, muss er Name und Telefonnummer hinterlassen. Melden können sich Kinder ab zwölf Jahren. Bei Jüngeren sollten die Eltern zustimmen und bei den Besuchen im Tierheim dabei sein – für den Fall, dass eine Katze kratzt. Mittlerweile füllen die Namen der Freiwilligen eine Din-A4-Seite. Manche schauen gelegentlich vorbei, sieben bis acht Katzenstreichler kommen wöchentlich. So auch Benjamin. „Ich bin durch eine Freundin meiner Mutter darauf aufmerksam geworden“, erzählt er. Früher hätte er auch eine eigene Katze gehabt. Die sei aber leider gestorben. Nun spielt er mit dem Gedanken, einer der Tierheim-Katzen ein neues Zu- zu bieten. Findet die Katze im Streichler einen neuen Besitzer, freut das Prestele. Denn nicht nur die Tiere seien in einem Tierheim wichtig, sondern auch die Menschen.
Vom Engagement der Katzenstreichler würden beide Seiten profitieren. „Es ist ein tolles Angebot für Kinder und Jugendliche, die selbst kein Haustier halten können oder dürfen“, sagt Prestele. Im Tierheim könnten sie ihre Tierliebe trotzdem ausleben. Als weiteren positiven Effekt hat Prestele beobach-
tet, dass die Freiwilligen lernen, dass Katzen nicht nur süß sind, sondern vor allen Dingen Lebewesen, kein Spielzeug oder Statussymbol. Bestenfalls würden die Kinder und Jugendlichen in Zukunft anders mit Tieren umgehen, achtsamer und verantwortungsvoller.
Überrascht hat Prestele, dass viele junge Erwachsene mit dem Ziel ins Tierheim kommen, ein paar Stunden vom Alltagsstress – egal, ob in Studium oder Beruf – abzuschalten. Die Streicheleinheiten entspannen die Menschen genauso wie Tiehause
re. Dies bestätigen auch Wissenschaftler (siehe Info-Kasten). Benjamin musste kürzlich für längere Zeit ins Krankenhaus und kann noch nicht wieder zum Arbeiten gehen. „Bevor ich nur daheim rumhocke...“, erklärt der 22-Jährige seine Motivation und streckt einem schwarz-weißen Kätzchen den Zeigefinger entgegen, den diese freudig ableckt. Was seine Freunde über das ungewöhnliche Hobby denken? „Einer wollte wissen, was ich da immer so mache“, sagt Benjamin, „Der ist dann mal mitgekommen.“