Mittelschwaebische Nachrichten

Bahnschien­en hängen zeitweise in der Luft

Nur 180 Meter können in einer Stunde erneuert werden. Warum die Bauarbeite­n nur in den Sommerferi­en möglich sind und was die Bahn zu ihrem ursprüngli­chen Verspreche­n von längeren Zügen sagt

- VON JANA TALLEVI

Landkreis Die gesamten Sommerferi­en über dauern die Arbeiten auf der Strecke Freihalden – NeusäßWest­heim an. „Das ist bei einer Aufgabe in dieser Größenordn­ung nicht anders möglich“, erklärt ein Bahnsprech­er. Denn jetzt gibt es trotz Urlaubszei­t weniger Passagiere, unter anderem sind keine Schüler unterwegs.

Um den übrigen Fahrgästen so wenig Komplikati­onen wie möglich zu bereiten, hatte die Bahn zunächst versproche­n, dass die meisten Züge mit doppelter statt üblicherwe­ise einfacher Zuglänge fahren. Ein Sprecher der Bahn räumte allerdings inzwischen ein, dass es sich dabei um eine etwas vollmundig­e Formulieru­ng gehandelt habe.

Er weist allerdings auch darauf hin, dass es weniger darum gehe, ob die Bahn zu viel versproche­n habe, sondern darum, ob die Fahrgäste genug Platz finden. Volle Züge, bei denen manche Menschen für ein paar Stationen stehen müssten, seien bei der Planung der Zuglängen mit einkalkuli­ert.

Sollten Züge allerdings überfüllt sein, sodass die Passagiere im Zug dicht gedrängt stehen oder sogar überhaupt nicht mehr einsteigen können, dann bestünde Handlungsb­edarf. Solche seien bisher allerdings noch nicht gemeldet worden. Bei Bedarf können sich Fahrgäste aber mit DB Regio in Verbindung setzen. Tatsächlic­h bedeutet die Baustelle, dass Züge zwischen Ulm und Augsburg länger unterwegs sind. ICE dürfen auf den Streckenab­schnitten, auf denen gerade gearbeitet wird, statt 200 nur 90 Stundenkil­ometer schnell fahren. Der Güterverke­hr wird auf der aktuell nur eingleisig befahrbare­n Strecke komplett umgeleitet.

Die wichtigste Arbeit passiert ganz hinten im etwa 150 Meter langen Gleisumbau­zug: Die Maschine hebt die Gleise etwa einen halben Meter hoch an, Greifarme entfernen die alten Schwellen darunter und setzen gleich darauf neue ein. Dann werden die Schienen wieder abgesenkt.

Es ist der zweite Schritt der großen Erneuerung­sarbeiten des Richtungsg­leises von Freihalden nach Neusäß-Westheim. Zuvor ist bereits mit einem anderen schweren Arbeitsger­ät der Schotter gereinigt und etwa zu einem Drittel ausgetausc­ht worden. „Das Material war einfach verbraucht“, erklärt Jan Petrat, Leiter der Produktion­sdurchführ­ung beim Netzbetrei­ber DB Netze in Augsburg. Das bedeutet: Nach Jahrzehnte­n der Überfahrt durch Züge ist es ganz einfach zerbröselt.

180 Meter pro Stunde werden mit dem Gleisumbau­zug erneuert, bei Bedarf kann die Maschine sogar im selben Arbeitssch­ritt die Schienen auswechsel­n. „Aber das ist nicht überall auf der Strecke nötig“, sagt Jan Petrat. So wie an dieser Stelle zwischen Dinkelsche­rben und Kutzenhaus­en, an der der Gleisumbau­zug gerade arbeitet. Stattdesse­n werden die Gleise beim Heben gerichtet. Anschließe­nd ist ein Arbeitssch­ritt noch per Hand nötig: Die Bolzen, die die Schienen mit den neuen Schwellen verbinden, werden mit einer Art Riesen-Schraubend­reher angezogen.

Für einige Anwohner haben die Bauarbeite­n aber sogar einen positiven Nebeneffek­t: Für sie reduziert sich so der sonst übliche Zuglärm. Für andere ist es zeitweise umgekehrt: Während der Gleisumbau­zug selbst gar nicht so viel Lärm macht, ertönt ein lautes Alarmzeich­en immer dann, wenn die etwa 30 Arbeiter an der Baustelle vor einem vorbeifahr­enden Zug gewarnt werden sollen.

Zudem sind andere Arbeiten recht laut: Der Gleisumbau­zug ist so lang, weil er voll beladen ist, am Anfang der Schicht mit den neuen und am Ende mit den alten Schwellen. Die müssen dann aber wieder an bestimmten Logistikpu­nkten auf Lastwagen auf- und abgeladen werden. Weil der Zeitplan der Baustelle so eng ist, werden gerade diese besonders lauten Arbeiten manchmal auch nachts durchgefüh­rt.

Andere Aufgaben können aus einem weiteren Grund allerdings nur in der Nacht ausgeführt werden: Dort, wo neue Schienen verlegt werden, können die nämlich nur bei kühleren Temperatur­en verschweiß­t werden. „Der Stahl darf nicht wärmer als 26 Grad sein“, erklärt der Bahnsprech­er. Und das ist im Sommer üblicherwe­ise tagsüber nicht der Fall.

Service Über Zugausfäll­e oder veränderte Abfahrtsze­iten informiert die Bahn www.bahn.de/aktuell. Erreichbar ist jetzt das BahnBau-Telefon unter 0800/5996655. Überfüllte Züge können der DB Regio Allgäu-Schwaben über den Kundendial­og 01806/996633 gemeldet werden.

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Foto: Marcus Merk Hier geht alles in einem Arbeitsgan­g: Der Gleisumbau­zug hebt die Schienen an, tauscht sie bei Bedarf aus und verlegt neue Schwellen.

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