Mittelschwaebische Nachrichten

Sie stand zwischen Mann und Mutter

Im Prozess um die Messerstec­herei von Ellzee berichtet die Frau des Angeklagte­n über ihre Beziehung und wie sie den Angriff stoppte

- VON ADRIAN BAUER

Memmingen/Ellzee In der englischen Sprache gibt es ein geflügelte­s Wort, das heißt „to be caught between a rock and a hard place“. Wörtlich übersetzt bedeutet das, dass man zwischen einem Felsen und etwas Hartem gefangen ist. Und im Klartext: Egal, in welche Richtung sich eine Person wendet, sie läuft immer gegen eine Wand. In dieser Position befand sich auch die Frau des Angeklagte­n, der sich wegen der Messerstec­herei von Ellzee verantwort­en muss. Am Freitag sagte sie am Memminger Landgerich­t als Zeugin aus und schilderte dabei ihre verfahrene Lage bei dem Versuch, sowohl ihrem Ehemann als auch ihrer Mutter gerecht zu werden.

„Ich stand mittendrin. Ich liebe meine Mutter, ich liebte meinen Mann. Es kam Druck von beiden Seiten“, sagte die 26-Jährige dem Gericht um die Vorsitzend­e Brigitte Grenzstein und schilderte ausführlic­h die Entstehung­sgeschicht­e des Streits zwischen Mutter und Mann, der zu dem brutalen Messerangr­iff und den lebensgefä­hrlichen Verletzung­en führte. Für das Gericht war es eine Chance, einen realistisc­heren Einblick in die Beziehung zu bekommen, nachdem zuvor Täter und Opfer den jeweils anderen als Alleinschu­ldigen für die verfahrene Situation dargestell­t hatten. Für die Zeugin brachte die Erinnerung an die knapp sechs Jahre zwischen dem ersten Treffen mit dem Angeklagte­n und der Tat viele Tränen.

Zu Anfang der Beziehung habe sie sich vor allem Ruhe und Freiraum für die Partnersch­aft gewünscht. Allerdings meldete sich die Mutter immer wieder und war beleidigt, wenn die Tochter auf die Nachrichte­n nicht schnell reagierte. Als ihr Mann die Schwiegerm­utter per Kurznachri­cht um mehr Privatsphä­re bat, begann das schlechte Verhältnis. „Die Nachricht war völlig in Ordnung. Aber ich kenne meine Mutter, sie regt sich bei so etwas schnell auf“, sagte die Zeugin.

Die Mutter habe immer weiter versucht, den Kontakt zu erzwingen. Kompromiss­vorschläge liefen ins Leere, selbst nach dem Wechsel der Handynumme­r dauerte es nicht lange, bis die Mutter sich wieder meldete. Nach der Hochzeit brach die Tochter den Kontakt ganz ab – auch wenn es ihr nicht leicht fiel. „Ich dachte mir, dass es besser ist, ganz Ruhe zu halten, als immer noch mehr Streitigke­iten zu haben“, sagte die 26-Jährige. Als sie mit dem ersten Kind schwanger war, versuchte die Mutter wieder, den Kontakt zu erneuern. Die ganze Situation eskalierte, als sie plötzlich vor der Tür stand. „Ich wusste, dass mein Mann schimpft, wenn er hört, dass sie in der Wohnung war“, sagte die Frau. Die Mutter ging aber erst, als die Tochter in ihrer Verzweiflu­ng den Ehemann in der Arbeit alarmierte.

Ab diesem Zeitpunkt kontrollie­rte der Angeklagte das Handy seiner Frau, verbot Treffen zwischen seiner Tochter und den Großeltern. Zugleich geriet die Ehe des jungen Paares immer mehr aus den Fugen. Der Mann begann eine Affäre mit einer Kollegin. Als diese aufflog, zog die Frau mit ihrer Tochter für einige Wochen aus. Am Verhältnis zu ihrer Mutter änderte das zunächst nichts: „Ich gab ihr eine Mitschuld daran, dass mein Mann eine Affäre hatte. Von ihr kam immer nur Streit.“

Die Ehe entwickelt­e sich zur Dauerkrise. Erst wollte der Mann mit seiner Geliebten neu beginnen, dann entschied er sich doch für die Familie. Allerdings wachte er noch eifersücht­iger darüber, ob es Kontakt zwischen der Frau und der Schwiegerm­utter gab. Als seine Frau ihr zweites Kind erwartete, begann er eine weitere Affäre. Streits waren an der Tagesordnu­ng und gipfelten in einer Ohrfeige im Sommer 2015. Aus Angst vor seiner Reaktion habe sie erst am 6. Oktober den Mut gefasst, ihren Mann zu verlassen, sagte die Frau.

Den folgenden Messerangr­iff schilderte sie wie ihre Mutter: Ihr Mann kam in das Haus in Ellzee, wollte die Kinder sehen und ging auf die Schwiegerm­utter los, als man ihm sagte, dass die Mädchen nicht mit ihm gehen würden. Die Frau sagte aus, dass sie den Angreifer von ihrer Mutter weggezogen habe, woraufhin er das Messer fallen ließ: „Ich hatte den Eindruck, dass er sonst weitergema­cht hätte.“

Um das Erlebnis zu verarbeite­n, ist die 26-Jährige wie ihre ältere Tochter in Therapie. Zu ihrer Mutter hat sie mittlerwei­le wieder ein normales Verhältnis.

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