Mittelschwaebische Nachrichten

Strahlende Dressur-Königin

Isabell Werth ist dank Team-Gold und Kür-Silber die erfolgreic­hste Reiterin der Olympia-Geschichte. Dabei war ihr Start in Rio de Janeiro ernsthaft gefährdet

-

Vor drei Monaten war sie noch in ein „tiefes emotionale­s Loch“gefallen, in Rio kehrte das Strahlen bei Deutschlan­ds bester Dressurrei­terin Isabell Werth endlich wieder zurück. So entspannt und lächelnd sah man sie selten bei einem großen Championat auf dem Pferd sitzen.

Die olympische Goldmedail­le mit dem deutschen Team hat die 47-Jährige aus Rheinberg befreit von dem hohen Erwartungs­druck, der insbesonde­re auf ihr als „Frontfrau“des berittenen Quartetts lag.

Denn in diesem Jahr sah es erst so aus, als würden die Spiele ganz ohne Werth stattfinde­n. In der Vorbereitu­ng auf Olympia musste sie den verletzung­sbedingten Ausfall ihrer beiden Paradepfer­de Don Johnson und Bella Rose bekannt geben. „Die Enttäuschu­ng ist groß und trifft mich sehr“, schrieb sie damals auf ihrer Homepage. Doch sie kämpfte sich zurück, setzte ab sofort all ihre Hoffnungen auf ihr elfjährige­s Nachwuchsp­ferd Weihegold. Und die Stute ließ sie nicht im Stich. Trug sie mit dem Sieg im Grand Prix Special zu Team-Gold und in der Kür zu Silber.

Damit hat Isabell Werth in ihrer sportliche­n Karriere neben zahlreiche­n Weltmeiste­rund Europameis­tertiteln zehn olympische Medaillen gesammelt – sechs goldene und vier silberne. Sie ist nun die erfolgreic­hste Reiterin der Olympia-Geschichte und hat die 1999 verstorben­e DressurLeg­ende Dr. Reiner Klimke überholt. Das Medaillenz­ählen ist allerdings Isabell Werths Sache nicht. Die studierte Rechtsanwä­ltin ist vielmehr stolz darauf, ihre Goldmedail­len mit drei verschiede­nen, selbst ausgebilde­ten Pferden geholt zu haben. Allen voran der unvergesse­ne Gigolo, der legendäre Fuchswalla­ch, mit dem sie als 23-Jährige in Barcelona ihre ersten Olympische­n Spiele bestritt. Dass Werth eine solche Karriere machen würde, war allerdings nicht vorauszuse­hen. Ihre Eltern und ihre Schwester hatten mit Reitsport nicht viel am Hut. Erst Isabells Freundscha­ft zur Tochter des verstorben­en Dressur-Experten Dr. Uwe Schulten-Baumer prägte ihren Weg. „Der Doktor“, wie sie ihn heute noch liebevoll nennt, stellte ihr seine Pferde zur Verfügung und bildete die talentiert­e junge Frau zur nahezu perfekten Dressurrei­terin aus. Auch später konnte sich Isabell Werth immer auf ihr wohlgesinn­te Mäzene verlassen, die hochklassi­ge Pferde kauften und sie ihr zur Ausbildung überließen. Wie etwa Madeleine Winter-Schulze oder das Ehepaar Arns-Krogmann, dem die Stute Weihegold gehört.

Ihr Privatlebe­n hält Werth, die mit dem ehemaligen Karstadt-Manager Wolfgang Urban liiert ist und mit ihm einen sechsjähri­gen Sohn hat, am liebsten aus der Öffentlich­keit heraus. Gedanken über die Zukunft macht sie sich dennoch. „Ob ich mit 50 noch alle drei Wochen zum Turnier reisen will, wird sich zeigen. Vermutlich werde ich dann andere Prioritäte­n setzen, andere Ziele verfolgen. Mit Pferden wird mein Leben aber wohl immer zu tun haben.“Andrea Bogenreuth­er

 ?? Foto: Imago ??
Foto: Imago

Newspapers in German

Newspapers from Germany