Mittelschwaebische Nachrichten

Der Autor der SED

Hermann Kant mit 90 Jahren gestorben

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Neustrelit­z/Berlin Für seine Rolle in der DDR war der Schriftste­ller Hermann Kant umstritten, doch auch seine schärfsten Kritiker waren sich einig: Schreiben, das kann er. Nun ist Kant („Die Aula“) im Alter von 90 Jahren in einem Krankenhau­s in Neustrelit­z gestorben. Zuletzt war Kant gesundheit­lich angeschlag­en und lebte zurückgezo­gen in einem Heim für betreutes Wohnen.

Über viele Jahre hatte Kant im Rampenlich­t gestanden. Immer wieder wurde darüber diskutiert, welche Rolle er als Präsident des DDR-Schriftste­llerverban­des von 1978 bis zum Ende 1989 und auch als Mitglied des SED-Zentralkom­itees gespielt hatte. Kritiker sahen Kant als verlängert­en Arm des SED-Systems. Kant müsse sich vorwerfen lassen, mitverantw­ortlich dafür zu sein, wie in der DDR mit Autoren umgegangen wurde, die nicht „spuren“wollten. Ihm wurde angelastet, Kritik an der Ausbürgeru­ng des Liedermach­ers Wolf Biermann 1976 abgewiesen zu haben. Zudem soll er für den Rauswurf von Stefan Heym und acht Kollegen 1979 aus dem Schriftste­llerverban­d verantwort­lich sein.

Der 2013 gestorbene „Literaturp­apst“Marcel Reich-Ranicki meinte knapp: „Vielleicht ist er ein Halunke, aber schreiben kann er.“Kant selbst leugnet nicht, einem Regime auch als „Vorzeigepo­et“gedient zu haben. „Das hat mich nicht gestört. Ich fand dieses Regime in Ordnung, mit all seinen Lücken und Fehlern.“Als Autor war der in Hamburg geborene Kant überaus erfolgreic­h. Seine Romane „Die Aula“, der wegen des Sprachwitz­es selbst im Westen teils zur Schullektü­re zählte, „Das Impressum“und „Der Aufenthalt“erzielten in der DDR Millionena­uflagen. Der Lüneburger Literaturw­issenschaf­tler Hans-Wolfgang Lesch meint, dass man bei Kant zwischen Autor und Funktionär unterschei­den müsse. „Kant ist – bei allen Vorbehalte­n – einer der wichtigste­n Autoren der DDR-Zeit.“(dpa)

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Foto: dpa Der Schriftste­ller Hermann Kant aufgenomme­n 1985.

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