Mittelschwaebische Nachrichten
Die Lizenz zum Strandtesten
Eine neue Website hilft Urlaubern dabei, den richtigen Strand zu finden
Arbeiten an den schönsten Stränden der Welt: Auf Mauritius, auf Fuerteventura, oder an der portugiesischen Algarve. Klingt zu schön um wahr zu sein? Dann aufgepasst. Kai Michael Schäfer ging es eigentlich nicht zwingend um einen Arbeitsplatzwechsel. Hinter seiner Geschäftsidee „Strandtester“steckt viel mehr eine Situation, die viele aus ihrem Privatleben kennen: Ein Paar plant seinen Urlaub. Sie will sich am weißen Sandstrand sonnen, lesen, vielleicht ein bisschen im Meer schwimmen. Er pocht auf Action und im besten Fall eine Bar. In einer ähnlichen Situation war Schäfer vor mehreren Jahren bei der Urlaubsplanung mit seiner damaligen Freundin. Sie hatten unterschiedliche Ansprüche an ihre Reise, aber jeder wollte so wenig Abstriche wie möglich machen.
„Ich habe dann, wie man das eben so macht, auf Google nach Strandinfos gesucht“, sagt der 44-Jährige. Eignet sich der Strand am Reiseziel für Surfer, für Familien oder doch eher für Naturliebhaber? Diese Infos hat es jedoch in keiner hilfreichen Übersicht gegeben – bis vor gut dreieinhalb Jahren. Schäfer beseitigte damals die Informationslücke, indem er mit seinen beiden jetzigen Kollegen, Thomas Berndorfer und Anton Werner, die Firma und Website „Beach-Inspector“gründete. Ihr Ziel: Die Strände der Welt erfassen und dokumentieren. Ein bisschen Größenwahn ist schon dabei, denn nach neuesten Erkenntnissen sind das gut 14500 – und das sind nur Strände, die für den Tourismus relevant sind. Weil diese Aufgabe zu Dritt nicht machbar sei, starteten sie den Aufruf an alle: „Werdet Beach-Inspector.“
Die drei Gründer haben sich in Kreuzberg ein Büro gemietet und ein Konzept für ihr Projekt entwickelt. Für jeden Strand werden Gespräche mit Anwohnern geführt, die Tester filmen und fotografieren. Regelmäßig stellen die Gründer Praktikanten für drei bis sechs Monate ein, die womöglich schon im Reiseland unterwegs sind. Geschult werden die Mitarbeiter per firmeneigene Online-Academy. Nach drei bis fünf erfolgreichen Strandtests erhalten die meist jungen Leute dann die Lizenz zum Strandtesten und zwischen 80 und 140 Euro pro erfassten Strand. Im Sommer haben das Gründer-Trio im Schnitt 50 Mitarbeiter weltweit im Einsatz.
Geheimtipps werden auf der Homepage ebenfalls verraten. Doch verliert ein Urlaubsort nicht an Reiz, wenn er komplett dokumentiert wurde? Entdecker spielen ade? Schäfer erklärt, dass die meisten Reiseanbieter oder -portale solche Tipps lange vor ihnen verraten hätten.
Mit ihren Tipps wollten sie den Touristen in erster Linie bei der Planung ihrer Reise helfen. Klickt man auf der Website des Beach-Inspectors auf „Maritius“und wählt anschließend in einem Filter „Geheimtipp“, dann spuckt die StrandPlattform „Wolmar Beach“aus. Die Beschreibung: „Die kleine Wohlfühloase für Erholungssuchende.“In einem Video zeigen zwei Mädels Sandstrand, Palmenwald und kristallklares Wasser. Geheimtipp heißt in diesem Fall nicht versteckter Strand, bei dem man sich erst durch ein Dickicht kämpfen muss, um dahinter zu einem unberührten Sandstrand zu gelangen. Solche Flecken würden nicht erfasst, da sie nicht touristisch relevant sind. Geheimtipps geben die Strandtester vor allem dann, wenn sie einen besonders eindrucksvollen Strand entdeckt haben.
Seit Juni sind die ersten Mitarbeiter auch an deutschen Stränden der Ostsee unterwegs, die Nordsee soll bald dazukommen. Ibiza, Mallorca, Lanzarote oder Dubai sind erfasst. Über die Themen Nachhaltigkeit und soziale Aspekte im Tourismus machen sich die Unternehmer ebenfalls Gedanken, konkrete Pläne gebe es jedoch nicht. Schäfer, Weber und Berndorfer finanzieren ihre Firma durch Kooperationen mit Reiseunternehmen, an die sie die Nutzer ihrer Website weiterleiten. Außerdem würden sie immer öfter von Staaten, Ländern oder Städten beauftragt, deren Strände zu erfassen, wie es aktuell für den Oman, Dubai und Israel oder für die Lübecker Bucht der Fall ist.
Palmenstrand-Liebhaber Schäfer sitzt in einer Strandbar an der Spree in Berlin Mitte, mit Blick auf die Museums-Insel. Seine Bewertung? Er winkt ab. Flüsse und Seen bleiben vor den Beach-Inspectoren vorerst noch verschont. „Wir haben erst einmal genug zu tun“, sagt er. Doch wer weiß, vielleicht wartet hier schon das nächste Projekt.
So wird man zum „Beach-Inspector“