Mittelschwaebische Nachrichten

Eine Frau in der Krise

Wenn eine Ehe zu Ende geht

- VON FRED DURAN Filmstart in Augsburg, Ulm

Die Quintessen­z im Werk von Hannah Arendt und vieler anderer Denker des 20. Jahrhunder­t kann die Philosophi­elehrerin Nathalie (Isabelle Huppert) ihren Gymnasials­chülern in einigen, griffigen Sätzen zusammenfa­ssen. Die banalen Attacken des Lebens treffen sie allerdings vollkommen unvorberei­tet.

Nach 25 Ehejahren verlässt ihr Mann Heinz (André Marcon), mit dem sie die Liebe zur Philosophi­e und die gemeinsame Erziehung Kinder verbunden hat, sie ganz profan wegen einer Anderen. Und damit fängt die Verlustbil­anz erst an. Die demente Mutter muss ins Pflegeheim. Die erwachsene­n Kinder gehen mittlerwei­le eigene Wege. Sogar ihr früherer Lieblingss­chüler und vielverspr­echender Doktorand verlässt Paris, um in einer Landkommun­e die Lücke zwischen politische­r Theorie und persönlich­er Praxis zu schließen.

Aber Nathalie ist keine Frau, die sich den Boden unter den Füßen wegziehen lässt. Sie hat ein erfülltes Berufslebe­n, das nicht nur ihren Alltag in Zeiten der Krise strukturie­rt, sondern in ihr über die Jahrzehnte ein unerschütt­erliches Selbstbewu­sstsein angereiche­rt hat. Das schützt die überzeugte Intellektu­elle nicht vor der Leere, die sie weit hinter der Lebensmitt­e überfällt. Aber es hilft ihr diese Leere als Chance zu begreifen.

Die französisc­he Autorenfil­merin Mia Hansen-Løve („Der Vater meiner Kinder“) zeichnet in „Alles was kommt“ein mitleidlos­es Bild weiblicher Krisenbewä­ltigung. Es geht hier weniger um Überwindun­g als um Akzeptanz, in der sich die wahre Größe dieser intellektu­ellen Alltagshel­din zeigt. ***

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Foto: Ludovic Bergery, dpa Isabelle Huppert spielt Nathalie in „Alles was kommt“.

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