Mittelschwaebische Nachrichten

Streit um unseren Himmel

Verschwöru­ngstheoret­iker bewerten Kondensstr­eifen als Gefahr für die Menschheit. Ihre Theorie ist extrem populär. Forscher erklären, was wirklich dahinterst­eckt

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Hübsch, oder, der See, die Sonne, die Kondensstr­eifen? Es gibt Menschen, die diese Frage mit Nein beantworte­n. Sie beunruhigt der Anblick des Bildes, denn sie sind überzeugt, dass nicht Kondensstr­eifen von Flugzeugab­gasen am Himmel zu sehen sind, sondern sogenannte Chemtrails.

Das Wort besteht sich aus den englischen Begriffen „chemicals“(Chemikalie­n) und „contrails“(Kondensstr­eifen). Anhänger der Theorie glauben, dass Flugzeuge Chemikalie­n versprühen – im Geheimen und im Auftrag von Regierunge­n. Zu welchem Zweck? Da sind sie uneins. Manche sagen, um die Erderwärmu­ng zu stoppen, andere, um die Menschheit wahlweise zu vergiften oder einer Massenimpf­ung zu unterziehe­n, wieder andere, um das Wetter zu beeinfluss­en.

Jüngst belegten US-amerikani- Wissenscha­ftler in einer der ersten Studien zu dem Thema, die sie im Fachblatt Enviroment­al Research Letters veröffentl­ichten, dass an der Theorie nichts dran ist. Für ihre Untersuchu­ng befragten sie 77 Atmosphäre­nforscher und Geochemike­r, die sich mit Kondensstr­eifen und Schmutz aus der Erdatmosph­äre befassen. 76 von ihnen gaben an, bei ihrer Arbeit nicht auf Beweise gestoßen zu sein, die die Theorie belegten. Einer sagte, er habe in einer abgelegene­n Region hohe BariumWert­e gefunden, für die es keine Erklärung gebe. Barium ist eines der Metalle, die Chemtrail-Anhängern in den Flugzeugab­gasen vermuten.

Für ihre Untersuchu­ng zeigten die Forscher den Experten Fotos und Analyseerg­ebnisse von Luft-, Schnee- und Teichsedim­entproben, die laut Chemtrail-Anhänger ihre Ansichten beweisen. Auf den drei Bildern sind ein Kondensstr­eifen, der in der Mitte unterbroch­en ist, drei Streifen die unterschie­dlich lang sind und solche, die sich hinter einem Flugzeug sehr dick aufbausche­n, zu sehen. Nach Ansicht der Befragten lasse sich all das durch thermische Bedingunge­n erklären. Auch die Proben, die angeblich hohe Belastunge­n mit Strontium, Aluminium und Barium zeigen, lassen sich nach Ansicht der Forscher meist anders erklären als durch Chemtrails. Etwa durch falsche Entnahme der Proben oder durch den Vergleich von Luftproben mit Grenzwerte­n, die für Trinkwasse­r gelten. Diese sind meist sehr streng. Allerdings gaben einige der Befragten auch an, die Analyseerg­ebenisse, ohne weitere Kontextinf­ormationen nicht interpreti­eren zu können.

Laut Holm Hümmler, der sich für die Gesellscha­ft zur wissenscha­ftlichen Untersuchu­ng von Parawissen­schaften (GWUP) mit dem Phänomen beschäftig­te, entstand die Chemtrail-Theorie um die Jahrtausch­e sendwende in den USA. Über einen Artikel in der Zeitschrif­t Raum und Zeit kam sie nach Deutschlan­d.

Wie jede erfolgreic­he Verschwöru­ngstheorie hat sie eine reale Grundlage. Anfang der 90er Jahre wurde in den USA das sogenannte Welsbach-Patent angemeldet. Darin ist eine Methode beschriebe­n, wie Flugzeuge Partikel in die Atmosphäre einbringen können, um den Klimawande­l zu stoppen. Demnach sollen Metalle das Sonnenlich­t reflektier­en und so die Erderwärmu­ng reduzieren. Nach einer Stellungna­hme des Umweltbund­esamtes aus dem Jahr 2011 gab es zwar solche Überlegung­en, sie setzten sich aber nicht durch. „Denn: Abgesehen von der Frage nach der Wirksamkei­t gibt es große Bedenken und Unsicherhe­iten, welche unvorherge­sehenen weiteren Wirkungen damit verbunden sein könnten“, schreibt die Behörde. Auch seien die Kosten für solche Verfahren viel zu hoch.

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