Mittelschwaebische Nachrichten
Viele Gedächtnislücken bei Verurteilten
Nach einer Attacke in einem Gasthaus stehen zwei Täter schon fest. Doch an das Geschehen können sie sich kaum erinnern
Günzburg Ein heute 41-Jähriger soll zusammen mit drei weiteren Personen in einem Leipheimer Gasthaus vor knapp drei Jahren einen Mann zusammengeschlagen haben. Zwei davon sind bereits verurteilt, nun ging es im Günzburger Amtsgericht darum, ob auch dieser Angeklagte an der Tat beteiligt war.
Es war der 29. Oktober 2013. Das Opfer, so schilderte der 41-Jährige, hatte zusammen mit ihm und weiteren Personen in der Gaststube zusammengesessen. Weil er sehr betrunken war, brachte die Bedienung ihn einen Stock höher zu seinem Gastzimmer. Kurz darauf kam sie wieder in die Stube und erzählte, der Mann habe sie an den Haaren gezogen. Ihr Lebensgefährte und ein weiterer Mann seien daraufhin sofort hochgelaufen, er und die Bedienung hätten sie begleitet. Die Männer seien auf ihn losgegangen, „ich aber nicht, deshalb wurde ich später als Weichei beschimpft“, erzählte der Angeklagte. Das Opfer konnte sich allerdings während der Verhandlung an kaum etwas erinnern – weder, wer ihn attackierte, noch warum es Streit gegeben hatte.
Der Lebensgefährte der Bedienung, der wegen des Angriffs bereits verurteilt ist und aus dem Gefängnis ins Gericht gebracht wurde, konnte sich ebenfalls nicht mehr genau erinnern. Er wisse aber, dass der Angeklagte nicht beteiligt gewesen sei. Dabei, so hielt ihm Richterin Franziska Braun vor, hatte er der Polizei erzählt, der 41-Jährige sei auch auf den Mann losgegangen und habe dazu einen Stuhl in den Händen gehalten. „Ich habe mir das alles seither noch mal durch den Kopf gehen lassen“, meinte der Lebensgefährte. Der Angeklagte habe jedenfalls nichts damit zu tun. Und auch die Bedienung wusste nicht mehr, was genau passiert ist.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft wunderte sich daraufhin schon, schließlich ist die Frau wegen ihrer Beteiligung an der gefährlichen Körperverletzung rechtskräftig verurteilt.
Doch wie die Richterin sagte, gebe das Protokoll der damaligen Verhandlung auch nichts her. Sie habe nur über ihren Verteidiger ihre Beteiligung eingeräumt. Da „alles verwirrend ist und wir nicht wissen, wer wirklich beteiligt war“, plädierte die Anklagevertreterin auf Freispruch. Dem schloss sich die Richterin an. (cki)