Mittelschwaebische Nachrichten
Unverschämt und dreist
Die gute Nachricht zuerst: Es tut sich was. Endlich will sich die Kassenärztliche Vereinigung (KV) mit der Kreisklinik zusammensetzen, um in Günzburg dasselbe erfolgreiche Modell wie in Krumbach zu etablieren. Damit könnten die immer größer werdenden Lücken im Dienstplan für den Notarztstandort Günzburg (hoffentlich) auf Dauer geschlossen werden. Bis es so weit ist, müsste aber erst einmal weiter mehr schlecht als recht improvisiert werden. Die schlechte Nachricht: Das hat viel zu lange gedauert. Viel zu viele Dienste konnten nicht besetzt werden. In dieser Zeit musste dann von irgendwoher ein Mediziner kommen und zur Not eingeflogen werden. Dass die KV auch jetzt noch alle Kritik von sich schiebt und dabei darauf verweist, dass in Bayern ja mehr als 99 Prozent der Dienste besetzt würden, ist schon mehr als dreist. Es ist eine Unverschämtheit der hiesigen Bevölkerung gegenüber, denn in Günzburg sind es nun einmal wesentlich weniger. Und auch die Aussage, dass keine neuen Lücken entstehen, wenn von woanders ein Arzt kommt, ist schlicht Unfug. Natürlich fehlt dieser Mediziner für den nächsten Einsatz im eigentlichen Zuständigkeitsbereich. Zudem sind dem Rettungsdienst, der ja die Erstversorgung übernehmen könne, enge rechtliche Grenzen gesetzt. Medikamente zu geben, wollen sich schließlich Ärzte vorbehalten. Ist die KV also einfach nur dreist oder nicht in der Lage, ihre Arbeit zu machen? Offenbar ist beides der Fall. Denn würde sie ihren Job ernst nehmen, hätte nicht so viel Zeit vergehen müssen, bis sie mit der Klinik das Gespräch sucht. Und die Arbeitsbedingungen für Notärzte hätte sie auch schon verbessern können. Dass sie offenbar erst durch politischen Druck aufgescheucht wurde, ist ein Unding. Gut, dass es zumindest jetzt vorwärts geht und sich sowohl der Landrat als auch der Bundestagsabgeordnete Nüßlein für eine Lösung einsetzen. Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, dass dieser Druck spät kommt. Die Dienste im Günzburger Notarzt-Dienstplan sind nicht erst im August häufig verwaist, das geht in unterschiedlicher Intensität schon lange so. Warum also erst jetzt? Im vergangenen Jahr hatte beispielsweise der Landrat gesagt, die Situation sei „akzeptabel“, dabei war sie es schon damals nicht. Er lasse sich über die Lage informieren, „wenn es dramatischer wird, erhöhen wir den Druck“. Aber noch habe er nicht vor, auf die KV einzuwirken. Jetzt hat er reagiert und auch gleich den Abgeordneten eingeschaltet. Das hätte er früher machen müssen – wie auch Nüßlein die Kassenärztliche Vereinigung früher hätte an den Verhandlungstisch zwingen müssen. Denn offenbar handelt die nicht aus dem Antrieb heraus, die Bürger bestmöglich zu versorgen, sondern aus Angst um ihre eigene Zukunft.