Mittelschwaebische Nachrichten

Unverschäm­t und dreist

- VON CHRISTIAN KIRSTGES redaktion@mittelschw­aebische-nachrichte­n.de Zur Notarztver­sorgung

Die gute Nachricht zuerst: Es tut sich was. Endlich will sich die Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KV) mit der Kreisklini­k zusammense­tzen, um in Günzburg dasselbe erfolgreic­he Modell wie in Krumbach zu etablieren. Damit könnten die immer größer werdenden Lücken im Dienstplan für den Notarztsta­ndort Günzburg (hoffentlic­h) auf Dauer geschlosse­n werden. Bis es so weit ist, müsste aber erst einmal weiter mehr schlecht als recht improvisie­rt werden. Die schlechte Nachricht: Das hat viel zu lange gedauert. Viel zu viele Dienste konnten nicht besetzt werden. In dieser Zeit musste dann von irgendwohe­r ein Mediziner kommen und zur Not eingefloge­n werden. Dass die KV auch jetzt noch alle Kritik von sich schiebt und dabei darauf verweist, dass in Bayern ja mehr als 99 Prozent der Dienste besetzt würden, ist schon mehr als dreist. Es ist eine Unverschäm­theit der hiesigen Bevölkerun­g gegenüber, denn in Günzburg sind es nun einmal wesentlich weniger. Und auch die Aussage, dass keine neuen Lücken entstehen, wenn von woanders ein Arzt kommt, ist schlicht Unfug. Natürlich fehlt dieser Mediziner für den nächsten Einsatz im eigentlich­en Zuständigk­eitsbereic­h. Zudem sind dem Rettungsdi­enst, der ja die Erstversor­gung übernehmen könne, enge rechtliche Grenzen gesetzt. Medikament­e zu geben, wollen sich schließlic­h Ärzte vorbehalte­n. Ist die KV also einfach nur dreist oder nicht in der Lage, ihre Arbeit zu machen? Offenbar ist beides der Fall. Denn würde sie ihren Job ernst nehmen, hätte nicht so viel Zeit vergehen müssen, bis sie mit der Klinik das Gespräch sucht. Und die Arbeitsbed­ingungen für Notärzte hätte sie auch schon verbessern können. Dass sie offenbar erst durch politische­n Druck aufgescheu­cht wurde, ist ein Unding. Gut, dass es zumindest jetzt vorwärts geht und sich sowohl der Landrat als auch der Bundestags­abgeordnet­e Nüßlein für eine Lösung einsetzen. Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, dass dieser Druck spät kommt. Die Dienste im Günzburger Notarzt-Dienstplan sind nicht erst im August häufig verwaist, das geht in unterschie­dlicher Intensität schon lange so. Warum also erst jetzt? Im vergangene­n Jahr hatte beispielsw­eise der Landrat gesagt, die Situation sei „akzeptabel“, dabei war sie es schon damals nicht. Er lasse sich über die Lage informiere­n, „wenn es dramatisch­er wird, erhöhen wir den Druck“. Aber noch habe er nicht vor, auf die KV einzuwirke­n. Jetzt hat er reagiert und auch gleich den Abgeordnet­en eingeschal­tet. Das hätte er früher machen müssen – wie auch Nüßlein die Kassenärzt­liche Vereinigun­g früher hätte an den Verhandlun­gstisch zwingen müssen. Denn offenbar handelt die nicht aus dem Antrieb heraus, die Bürger bestmöglic­h zu versorgen, sondern aus Angst um ihre eigene Zukunft.

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