Mittelschwaebische Nachrichten

Grün-Schwarz erfüllt die Erwartunge­n – mehr aber nicht

Leitartike­l In Stuttgart regiert seit 100 Tagen ein einmaliges Bündnis. Es ist stark von der Parteistra­tegie geprägt. Schon jetzt geht es um die Wahlchance­n im Jahr 2021

- VON MICHAEL SCHWARZ redaktion@augsburger-allgemeine.de

Sie kommen kulturell aus völlig unterschie­dlichen Ecken, bewerten politische Themen aus entgegenge­setzter Perspektiv­e – und regieren trotzdem relativ geräuschlo­s miteinande­r: Seit 100 Tagen ist die erste grün-schwarze Koalition im Amt. Die Performanc­e der Partner kann bisher als profession­ell, aber nicht besonders ambitionie­rt beschriebe­n werden.

Die Regierung managte die Flutkatast­rophe gleich zu Beginn der Legislatur­periode konsequent. Auch auf die anhaltend hohe Terrorgefa­hr wurde nach den jüngsten Anschlägen mit einem Sofortpake­t zügig reagiert. Dazu kommen Herausford­erungen wie die Integratio­n der Flüchtling­e und Probleme damit, dass sich die Unruhen in der Türkei auch auf Deutschlan­d übertragen.

Dies alles sind Themen, bei denen die Bevölkerun­g ein souveränes und Vertrauen schaffende­s Handeln der Politik erwartet. Diese Erwartung haben Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n und der Kopf der baden-württember­gischen CDU, Thomas Strobl, erfüllt. Da momentan die Sicherheit­spolitik nahezu täglich von zentraler Bedeutung ist, kann sich vor allem Strobl profiliere­n.

Für die CDU steht im Zentrum, dass sie sich – wann immer möglich – deutlich von den Grünen abgrenzt. Das erwartet die eigene Basis, die noch damit zu kämpfen hat, kleiner Partner unter den Grünen zu sein. Auf keinen Fall wollen die Christdemo­kraten den gleichen Fehler machen wie die SPD, die in der Koalition mit den Grünen extrem unter der Beliebthei­t des Ministerpr­äsidenten litt und am Ende in der Wählerguns­t abstürzte.

Deswegen versuchte Strobl – selbst noch im Urlaub – kontinuier­lich für Schlagzeil­en zu sorgen. Deswegen nutzt CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart jede Gelegenhei­t, um den Parlamenta­riern ein eigenes Profil zu verleihen. Deswegen sprechen sich die CDU-geführten Ministerie­n untereinan­der intensiver ab, als es damals die SPD tat. Die Grünen, wissend um ihre Vorteile als stärkste politische Kraft in Baden-Württember­g, beäugen das Vorgehen des Koalitions­partners noch mit der gebotenen Ruhe.

Die Glaubwürdi­gkeit von GrünSchwar­z bekam einen großen Kratzer, als bekannt wurde, dass die Partner außerhalb der Koalitions­vereinbaru­ng Nebenabspr­achen in Milliarden­höhe getroffen haben. Nachdem dazu noch geheime Vereinbaru­ngen über geplante Sparmaßnah­men aus dem innersten Kreis der Koalition öffentlich wurden, hat sich die Situation weiter zugespitzt. Vor allem das Image Kretschman­ns und der Grünen, die Transparen­z sonst immer wie eine Monstranz vor sich hertragen, hat stark gelitten. Bei anderen Konflikten wie der Ausweisung weiterer sicherer Herkunftss­taaten oder der Wiedereinf­ührung der Vermögenst­euer ist Kretschman­n eher auf CDU-Linie – zum Ärger seiner Parteifreu­nde in Berlin.

Hinter den beiden führenden Köpfen Kretschman­n und Strobl ist das Bemühen groß, keine Fehler zu machen. Das gilt für die Fraktionen im Stuttgarte­r Landtag genauso wie für die Minister im Kabinett. Die Ressortche­fs beider Parteien lassen sich genügend Spielraum, damit sich jeder profiliere­n kann. Die CDU hat die Zeit nach Kretschman­n im Kopf. Tritt der grüne Übervater in den nächsten Jahren ab, wollen die Christdemo­kraten bei der Wahl 2021 wieder stärkste Kraft im Land werden.

Bei allen taktischen Überlegung­en bleibt am Ende bisher jedoch die Frage offen, für was GrünSchwar­z eigentlich steht. Vieles deutet auf ein Bündnis hin, das eher verwaltet – und keine großen Projekte angehen wird. Inhaltlich ist das allerdings sehr wenig.

Die CDU will sich möglichst klar von Grünen abgrenzen

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